OGH: Stundensatzvereinbarung – zur Angemessenheit des Anwaltshonorars
Der 8. Senat verlangte in der E 8 Ob 92/14h auch die Prüfung, ob nachgewiesene Stunden der Arbeitszeit nicht nur üblich sind, sondern auch in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehen; dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Arbeitsweise von Rechtsanwälten individuell unterschiedlich gestaltet; an diesen Grundsätzen ist festzuhalten
§ 16 RAO, § 2 RATG, §§ 1002 ff ABGB, § 1152 ABGB, § 918 ABGB, AHR, AHK, § 25 GebAG
GZ 5 Ob 233/20f, 04.02.2021
OGH: Nach ständiger höchstgerichtlicher Rsp ist bei einer Stundensatzvereinbarung die Angemessenheit des verrechneten Zeitaufwands – wenn strittig – zu kontrollieren. Die Ermittlung des angemessenen Rechtsanwaltshonorars ist daher Rechtsfrage. Deren Beantwortung bedarf aber auch einer entsprechenden Tatsachengrundlage, so etwa – im auch hier gegebenen Fall der Stundensatzvereinbarung – konkreter Feststellungen zum tatsächlichen Zeitaufwand, zur Zweckentsprechung der Leistung des Rechtsanwalts im Hinblick auf das ihm erteilte Mandat und zur Üblichkeit des tatsächlichen Aufwands zur Erreichung dieses Zwecks. Der 8. Senat verlangte in der E 8 Ob 92/14h auch die Prüfung, ob nachgewiesene Stunden der Arbeitszeit nicht nur üblich sind, sondern auch in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Arbeitsweise von Rechtsanwälten individuell unterschiedlich gestaltet. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten.
Hier stellte das Erstgericht fest, dass der Kläger im Rahmen des ihm erteilten Mandats die Erstbeklagte in einem näher bezeichneten Verfahren wegen Honorarforderungen von insgesamt 30.012,21 EUR vertreten und mögliche Einwendungen und Gegenforderungen gegen diese Klageforderung prüfen sollte, außerdem auch weitere Honorarforderungen der vormaligen Rechtsanwälte der Beklagten iHv 325.207,56 EUR, deren Einklagung in Aussicht gestellt worden war. Das Ergebnis sollte er für Vergleichsgespräche aufbereiten. Nach den Feststellungen kam der Kläger dem Auftrag sorgfältig nach. Die Stoffsammlung und Sichtung war sehr aufwändig, weil er Informationen vom Zweitbeklagten und dessen Berater oft erst auf mehrmalige Urgenz in unsortierter und sich wiederholender Form erhielt. Festgestellt wurde auch, dass der Kläger im Rahmen des Auftrags die in der Leistungsaufstellung vom 27. Juni 2019 angeführten Leistungen erbrachte, die sinnvoll und notwendig gewesen seien. Konkretisierend finden sich Feststellungen dazu (disloziert) auch im Rahmen der Beweiswürdigung des Erstgerichts, wonach die Mailbox des Klägers aufgrund seines Ersuchens um Unterlagen vom Zweitbeklagten „zugemüllt“ wurde, viele Unterlagen inhaltlich wertlos waren und dies einen sehr hohen Arbeitsaufwand zur Vorbereitung des beauftragten vorbereitenden Schriftsatzes und zur Erarbeitung der Prozess- und Vergleichstaktik zur Folge hatte. Zum Aufwand für die notwendigen Urgenzen verwies das Erstgericht auf konkret genannte Urkunden, deren Richtigkeit die Beklagten nicht bestritten haben. Grund für die Nichterstellung des vorbereitenden Schriftsatzes war nicht die mangelnde Zahlung weiterer Akonti, sondern fehlende Informationen der Beklagten. Eine mangelhafte Vorbereitung des Klägers auf die Besprechung am 6. 6. 2019 stellte das Erstgericht nicht fest. Die von den Beklagten behauptete eigenmächtige Ausweitung der Tätigkeit des Klägers schloss das Erstgericht ebenso aus wie seine Ineffizienz und generell mangelnde Vorbereitung. All dies sind Feststellungen, die eine tatsächliche Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit in rechtlicher Hinsicht bieten konnten. Eine gesetzesgemäß ausgeführte Beweisrüge lag – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte – diesbezüglich nicht vor.
Wenn das Berufungsgericht nun den Gesamtkontext dieser Feststellungen dahin auslegte, dass Gegenstand des Auftrags nicht nur die Erstellung eines vorbereitenden Schriftsatzes im Honorarprozess war, sondern auch die (umfassende) rechtliche Überprüfung weiterer Honorarforderungen von 325.207,56 EUR sowie die Erarbeitung einer Prozessstrategie und einer Grundlage für Vergleichsgespräche, ist dies nicht zu beanstanden. Nicht korrekturbedürftig ist auch, dass die im Einzelnen aus Beilage ./B hervorgehenden Leistungen des Klägers nicht nur erbracht wurden, sondern auch der Bedeutung der Causa (immerhin standen Honorarforderungen von mehr als 350.000 EUR im Raum!) entsprachen. Daraus in rechtlicher Sicht abzuleiten, das eingeklagte Stundensatzhonorar sei auch im Hinblick auf das Ausmaß der aufgewendeten Zeit als angemessen anzusehen, begegnet keinen Bedenken im Einzelfall. Dass der aus Beilage ./B hervorgehende Aufwand etwa auf eine mangelhafte interne Struktur in der Kanzlei des Klägers oder seine besonders ineffiziente und dem übertragenen Mandat nicht entsprechende Arbeitsweise zurückzuführen wäre, steht nicht fest. Eine im Interesse der Rechtssicherheit im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen in Bezug auf die Angemessenheit des eingeklagten Anwaltshonorars liegt nicht vor.