OGH: Zur Frage, ob der Gewährleistungspflichtige schon aufgrund einer außergerichtlichen Geltendmachung eines sekundären Gewährleistungsbehelfs ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, dass dieser dem Gewährleistungsberechtigten nicht zusteht
Das negative Feststellungsbegehren der Klägerin zielt darauf, das dem Beklagten als Käufer von § 932 Abs 4 ABGB eingeräumte Wahlrecht zu nehmen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen und eines nicht geringfügigen Mangels im Rahmen gerichtlicher Geltendmachung Wandlung oder Preisminderung zu verlangen; damit zeigt die Revisionswerberin aber keine ein Feststellungsinteresse begründende Rechtsanmaßung des Beklagten als Ursache einer Rechtsunsicherheit für sie auf; denn der Gesetzgeber selbst räumt dem Käufer in § 932 Abs 4 ABGB dieses Wahlrecht ein; Bedenken gegen das Wahlrecht aus dem Blickwinkel der Interessenwahrung des Verkäufers bestehen nach hLuRsp zum Kaufvertrag (nur) dann, wenn sich der Kaufpreis nach der relativen Berechnungsmethode (fast) auf null reduzierte, der Käufer also die Sache behalten dürfte, vom Verkäufer aber den (fast) vollen Kaufpreis zurückverlangen könnte
§ 228 ZPO, §§ 922 ff ABGB, § 932 ABGB
GZ 10 Ob 47/20i, 19.01.2021
OGH: Nach § 228 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Der Kläger hat das rechtliche Interesse darzutun. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls.
Prozessökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis nach Klärung strittiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es, um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen. Der Zweck der negativen Feststellungsklage ist primär, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, eine Rechtsanmaßung des Beklagten als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben.
Bei einer negativen Feststellungsklage besteht das rechtliche Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts immer dann, wenn der Beklagte ein solches Recht zu haben behauptet. Es ist dabei gleichgültig, ob ein solches Recht im Einzelfall überhaupt bestehen kann, also objektiv gesehen möglich ist, oder ob es bei richtiger Beurteilung von Haus aus feststeht, dass es keine gesetzliche Grundlage hat. Das rechtliche Interesse wird durch eine den Kläger belastende „Berühmung” begründet. Das rechtliche Interesse erfordert neben der Berühmung eines solchen Rechts aber auch eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers. Es genügt dabei schon, wenn der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben, in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird. Darüber hinaus muss die begehrte Feststellung das zur Beseitigung dieser Gefährdung geeignete Mittel sein. An die Frage der Klärungsbedürftigkeit eines Rechts oder Rechtsverhältnisses ist kein allzu strenger Maßstab anzulegen.
Diese Rsp haben die Vorinstanzen beachtet, sie wird auch von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt.
Ein Rechtsverhältnis ist die bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen einer Person und einem Gegenstand. Richtig ist, dass auch einzelne Rechtsfolgen eines Rechtsverhältnisses Gegenstand eines Feststellungsurteils sein können, wie einzelne Forderungen oder daraus abgeleitete Ansprüche. Gegenstand der Feststellung ist mit anderen Worten der Bestand oder Nichtbestand der aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleiteten Rechtsbeziehung.
Die aus dem Kaufvertrag abgeleitete Rechtsbeziehung, nämlich ihre Verpflichtung als Verkäuferin, dem Beklagten als Käufer aus dem Kaufvertrag dafür Gewähr zu leisten, dass die verkaufte Sache dem Vertrag entspricht (§ 921 Abs 1 Satz 1 ABGB), bestreitet die Klägerin gar nicht. Sie bietet dem Beklagten die Wandlung des Vertrags an. Die Klägerin hält dem vom Beklagten bisher nur behaupteten Preisminderungsanspruch lediglich entgegen, dass dieser überhöht und rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werde. Um zu begründen, dass ihr Feststellungsbegehren trotz Vorliegens eines – von ihr bestrittenen – Mangels gerechtfertigt sei, erachtet sie in der Revision einen Preisminderungsanspruch von 2 % sogar als denkbar.
Das negative Feststellungsbegehren der Klägerin zielt vielmehr darauf, das dem Beklagten als Käufer von § 932 Abs 4 ABGB eingeräumte Wahlrecht zu nehmen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen und eines nicht geringfügigen Mangels im Rahmen gerichtlicher Geltendmachung Wandlung oder Preisminderung zu verlangen. Damit zeigt die Revisionswerberin aber keine ein Feststellungsinteresse begründende Rechtsanmaßung des Beklagten als Ursache einer Rechtsunsicherheit für sie auf, wie sie etwa in dem von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten E 8 Ob 137/19h vorlag:
Denn der Gesetzgeber selbst räumt dem Käufer in § 932 Abs 4 ABGB dieses Wahlrecht ein. Bedenken gegen das Wahlrecht aus dem Blickwinkel der Interessenwahrung des Verkäufers bestehen nach hLuRsp zum Kaufvertrag (nur) dann, wenn sich der Kaufpreis nach der relativen Berechnungsmethode (fast) auf null reduzierte, der Käufer also die Sache behalten dürfte, vom Verkäufer aber den (fast) vollen Kaufpreis zurückverlangen könnte.
Dies ist hier schon nach dem Vorbringen der Klägerin nicht der Fall, die sich ja ausdrücklich gegen die Geltendmachung eines Preisminderungsanspruchs von 8 % des Kaufpreises zur Wehr setzt. Das Vorbringen der Klägerin, diese Höhe läge über der „jedermann bekannten“ Gewinnspanne bei Bauträgerprojekten, sodass in der Nichtannahme des Wandlungsbegehrens eine absichtliche Schädigung der Klägerin liege, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Gesetzeslage nicht geeignet, das Feststellungsinteresse im konkreten Fall zu begründen.