OGH: Berufliche Sorgfaltspflichten eines Medienunternehmers nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG
Bei Übernahme eines Bildsignals oder bei Veröffentlichung einer Videosequenz ist die Verletzung der beruflichen Sorgfalt zu verneinen, wenn sich der Beklagte zumindest dem Anschein nach mit guten Gründen auf die Zustimmung des Berechtigten stützen kann; ein darüber hinausgehender Branchen-Usus dahin, dass sich ein Medienunternehmer vor Veröffentlichung einer Videosequenz von der Zustimmung des Berechtigten durch aktive Nachfrage beim Urheber vergewissern muss, besteht nicht
§ 1 UWG
GZ 4 Ob 218/20t, 26.01.2021
OGH Nach österreichischem Lauterkeitsrecht ist das Erfordernis der Einhaltung der beruflichen Sorgfalt nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG auch dem mitbewerberschützenden Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG zugrunde zu legen. Die beruflichen Sorgfaltspflichten nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG (Art 2 lit h RL-UGP) bestimmen sich nach den anständigen Marktgepflogenheiten im jeweiligen unternehmerischen Tätigkeitsbereich sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es ist daher anhand der berechtigten Erwartungen eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers zu prüfen, ob im Verhalten des Unternehmers ein Verstoß gegen den einschlägigen Branchen-Usus gelegen ist.
Aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des OGH zu 4 Ob 96/17x, die eine Kurz-Bildberichterstattung zur Fußball-WM 2014 nach § 5 VERG betraf, kann im gegebenen Zusammenhang abgeleitet werden, dass bei Übernahme eines Bildsignals oder bei Veröffentlichung einer Videosequenz die Verletzung der beruflichen Sorgfalt zu verneinen ist, wenn sich der Beklagte zumindest dem Anschein nach mit guten Gründen auf die Zustimmung des Berechtigten stützen kann. Ein darüber hinausgehender Branchen-Usus dahin, dass sich ein Medienunternehmer vor Veröffentlichung einer Videosequenz von der Zustimmung des Berechtigten durch aktive Nachfrage beim Urheber vergewissern müsse, besteht nicht. Dafür bietet auch der Ehrenkodex für die österreichische Presse keine Anhaltspunkte.
Die Konkretisierung der Anforderungen an die jeweilige berufliche Sorgfalt richtet sich typisch nach den Umständen des Einzelfalls.
Im Anlassfall kommt es in dieser Hinsicht entscheidend auf die E-Mail-Erklärung des Pressesprechers des Bundeskanzlers an, die nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen ist. Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass diese E-Mail aufgrund der konkreten Anweisungen zur Veröffentlichung der übermittelten Videosequenz als Freigabe verstanden werden konnte und die Beklagte daher auf eine entsprechende Rechteeinräumung vertrauen durfte, begründet keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, dass nach dem Inhalt der E-Mail-Erklärung auch der Bundeskanzler selbst das Video über seinen YouTube-Kanal verbreitet hat und die Beklagte auch darauf hätte zurückgreifen dürfen.