02.03.2021 Zivilrecht

OGH: Sittenwidrige Klausel über Ausfallhaftung in einem Wärmelieferungsvertrag

Eine Klausel in einem Wärmelieferungsvertrag, welche einen Zuschlag von 3 % als „Ausfallhaftung“ für Forderungen gegen „zahlungsunwillige bzw -unfähige Kunden“ vorsieht, ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Vertragsklausel, Inhaltskontrolle, Sittenwidrigkeit, gröbliche Benachteiligung, Wärmelieferungsvertrag, Zuschlag, Ausfallhaftung, säumige Kunden
Gesetze:

 

§ 879 ABGB, § 14 WGG

 

GZ 3 Ob 202/20g, 20.01.2021

 

OGH: Mit § 879 Abs 3 ABGB wurde ein bewegliches System geschaffen, in dem einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigt werden kann. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es dafür keine sachliche Rechtfertigung gibt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht.

 

Nach dem dispositivem Recht haftet ein Verbraucher seinem Vertragspartner nicht für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten Dritter gegenüber diesem Vertragspartner. Die in der Klausel vorgesehenen Abweichungen vom dispositiven Recht bedürfen daher einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche liegt hier nicht vor. Dabei ist va zu berücksichtigen, dass der Zuschlag pauschal verrechnet wird und die Beklagte davon auch dann profitiert, wenn sie keinen Ausfall erleidet. Dem Zuschlag für einen potentiellen Ausfall steht keine Gegenleistung der Beklagten gegenüber. Der (behauptete) Umstand, dass es der Beklagten wegen ihrer Marktposition möglich ist, ihren Kunden Energie zu verbilligten Preisen zu liefern, steht in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Zuschlag. Weiters ist zu beachten, dass die Verbraucher von der zentralen Wärmeanlage des Hauses abhängig sind. Schließen sie den Wärmeliefervertrag mit der Beklagten nicht ab, werden sie von der Wärmeversorgungsanlage abgetrennt und sind dann auf eine dezentrale Wärmeversorgung (zB Stromheizung, E-Boiler) angewiesen. Es ist notorisch, dass damit Mehrkosten für diese Verbraucher verbunden sind. Die Vorinstanzen haben damit zutreffend die objektive Äquivalenzstörung (Zuschlag ohne Gegenleistung) und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ der Verbraucher (Abhängigkeit von der zentralen Wärmeanlage) berücksichtigt.

 

Auch nach § 14 Abs 1 Z 8 WGG setzt die Einhebung einer Rücklage eine Vereinbarung im Vertrag voraus, sodass auch nach dem WGG kein Recht der gemeinnützigen Bauvereinigung auf Bildung einer Rücklage besteht; die in § 14 Abs 1 Z 8 WGG vorgesehene Ausfallskomponente ist ausdrücklich nicht auf Entgeltpositionen nach § 14 Abs 1 Z 7 WGG anzuwenden, die Gemeinschaftsanlagen, also auch eine zentrale Heizungsanlage, betreffen.