23.02.2021 Verfahrensrecht

OGH: Zur Anonymisierungspflicht iSd § 15 Abs 4 OGHG

Der erkennende Senat ist auch zur Entscheidung berufen, ob es einer nachträglichen bzw ergänzenden Anonymisierung bedarf; es handelt sich dabei um einen Akt der Rsp, und zwar um einen Teil der rechtsprechenden Tätigkeit im Rahmen der Entscheidungsfindung


Schlagworte: Entscheidungsdokumentation Justiz, OGH, (nachträgliche / ergänzede) Anonymisierung, ausgefallener Vornamen
Gesetze:

 

§ 15 OGHG

 

GZ 6 Ob 177/20b, 02.02.2021

 

OGH: Gem § 15 Abs 1 OGHG sind in die Entscheidungsdokumentation Justiz des RIS alle Entscheidungen des OGH im Volltext aufzunehmen, die sich nicht in einer begründungslosen Zurückweisung eines Rechtsmittels erschöpfen. Nach Abs 4 sind dabei Namen, Anschriften und erforderlichenfalls auch sonstige Orts- und Gebietsbezeichnungen, die Rückschlüsse auf die betreffende Rechtssache zulassen, durch Buchstaben, Ziffern oder Abkürzungen so zu anonymisieren, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren geht. Solche Anordnungen hat grundsätzlich der erkennende Senat bei der Beschlussfassung zu treffen (Abs 5). Der erkennende Senat ist auch zur Entscheidung berufen, ob es einer nachträglichen bzw ergänzenden Anonymisierung bedarf. Es handelt sich dabei um einen Akt der Rsp, und zwar um einen Teil der rechtsprechenden Tätigkeit im Rahmen der Entscheidungsfindung.

 

Durch diese Anonymisierungspflicht soll der Persönlichkeitsschutz von Parteien, Zeugen und anderen Verfahrensbeteiligten sichergestellt werden. Im Standardfall ist es in Bezug auf die Namen hinreichend, eine Anonymisierung durch Reduktion der Familiennamen auf den jeweiligen Anfangsbuchstaben vorzunehmen, mag es auch nach der heutigen Praxis des OGH üblich sein, dass die Vornamen ebenso anonymisiert werden. Unter Umständen kann es aber notwendig und damit zwingend sein, auch die Vornamen zu anonymisieren, insbesondere wenn diese eher selten oder im gegebenen Zusammenhang sonst auffällig sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:

 

Zwar handelt es sich beim – sowohl für Männer als auch für Frauen gebräuchlichen – Vornamen J***** nicht um einen seltenen bzw gar „ausgefallenen“ Vornamen, wurden doch allein seit 1984 rund 60 Neugeborene in Österreich so genannt, tragen in der Schweiz rund 400 Personen diesen Vornamen, wurde in Deutschland in den letzten Jahren etwa einer von 1.000 neugeborenen Jungen so genannt und ist dieser Vorname insbesondere in Ostafrika sehr verbreitet. Jedoch lässt sich aus einer Zusammenschau des Vornamens J***** mit der Angabe der konkret zuständigen Organisationseinheit des KJHT (*****), des zuständigen Pflegschaftsgerichts (BG Oberndorf) und dem Hinweis in der Entscheidung, dass der Minderjährige „in ländlicher Umgebung“ lebt, eine gewisse Auffälligkeit, die zu einer Identifizierung des Minderjährigen führen könnte, nicht ausschließen. Dazu kommt noch, dass – aufgrund eines Versehens – das vollständige Geburtsdatum veröffentlicht wurde.

 

Damit war es aber erforderlich, nicht nur Geburtstag und Geburtsmonat des Minderjährigen und die Angabe der *****, aus der jener Bezirk geschlossen werden kann, in dem der Minderjährige lebt (eine Anonymisierung des zuständigen Pflegschaftsgerichts kommt allerdings nicht in Betracht), sondern auch dessen Vornamen einer Anonymisierung zuzuführen. Die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung bleibt dennoch gewährleistet.