09.02.2021 Wirtschaftsrecht

OGH: § 10 Abs 3 MSchG – zur Frage der Zulässigkeit der Verwendung fremder Marken für E-Wallet-Dienste

Die Einbindung der Jö-Kundenkarte in die App der Beklagten unter Verwendung der Wort-Bild-Marken der Klägerin zur Auswahl der Jö-Kundenkarte aus einer Vielzahl von anderen Kundenkarten ist ein Verweis auf eine Zusatzdienstleistung der Beklagten und damit eine Bestimmungsangabe iSd § 10 Abs 3 Z 3 MSchG, die in der konkreten Ausgestaltung zulässig ist und keine unlautere Geschäftspraktik begründet; warum die „Datenverwendung durch die App der Beklagten“ dieses Ergebnis ins Gegenteil verkehren soll, vermag das Rekursgericht nicht zu erklären; nach den Feststellungen kann der jeweilige Nutzer über die App der Beklagten auf sein eigenes Jö-Kundenkonto zugreifen, wobei er zu diesem Zweck sein Jö-Kennwort und sein Jö-Passwort eingeben muss; über die App wird somit lediglich der Zugang zum Jö-Kundenkonto hergestellt; die abrufbaren Informationen sind jene aus diesem Kundenkonto; die App funktioniert somit nur als Anwendungstool für den Konto-Zugang; auch dabei handelt es sich um eine Zusatzdienstleistung zur Jö-Kundenkarte der Klägerin; für den Nutzer ist klar ersichtlich, dass er in sein Jö-Kundenkonto einsteigt, zumal er die dafür von ihm bestimmten Zugangsdaten verwenden muss, was ihm auch erklärt wird; auch die Speicherung des Jö-Passworts in der App der Beklagten, um den Zugang zum Jö-Kundenkonto zu erleichtern, ändert daran nichts


Schlagworte: Markenschutzrecht, Verwendung der Marken, App, Verwechslungsgefahr, Bestimmungsangabe, Zusatz-Dienstleistung, Jö-Karte
Gesetze:

 

§ 10 MSchG

 

GZ 4 Ob 205/20f, 22.12.2020

 

OGH: § 10 Abs 3 Z 3 MSchG erlaubt – als Schutzschranke – im Allgemeinen einen verweisenden Markengebrauch va als erforderliche Bestimmungsangabe, dh als Verweis auf eine besondere Zusatzfunktion der eigenen Ware oder Dienstleistung, zB als Zubehör bzw Ersatzteil oder als Service- bzw Zusatzdienstleistung für das gekennzeichnete Produkt des Markeninhabers, sofern keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sowie keine unlautere Geschäftspraktik vorliegt.

 

Auf diese Weise soll das Interesse des Markeninhabers an einer möglichst weitgehenden Monopolisierung seines Kennzeichenrechts gegenüber jenem von anderen Verkehrsteilnehmern an der Verwendung von Angaben abgewogen werden, auf die sie iZm ihrem eigenen Angebot angewiesen sind. In einem solchen Fall muss der Markeninhaber hinnehmen, dass der Verwender von der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der Marke faktisch profitiert.

 

Grundsätzlich bleibt es also dabei, dass die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG eng auszulegen ist. Dennoch ist bei der Beurteilung auf die konkrete Anwendung abzustellen und auf die Besonderheiten des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Ein generelles, in jedem Fall unumstößliches Verbot der Verwendung fremder Wort-Bild-Marken besteht allerdings nicht. Da bei der Interessenabwägung auch auf die Interessen des Drittanbieters Bedacht zu nehmen ist, muss diesem bei Ausschluss einer Funktionsbeeinträchtigung der Marke die Bereitstellung einer nutzerfreundlichen und modern gestalteten Zusatzleistung ermöglicht werden. Ist die irrtümliche Annahme einer geschäftlichen Verbindung zwischen dem Verwender und dem Markeninhaber ausgeschlossen und dient die Markenverwendung für das Publikum klar ersichtlich nur dazu, dem Nutzer eine leichtere Auswahl unter vielen Markeninhabern zu ermöglichen, so ist eine nutzerfreundliche technische Umsetzung grundsätzlich auch nicht als unlautere Geschäftspraktik zu qualifizieren.

 

Im Anlassfall wird durch die konkrete technische Umsetzung der App der Beklagten nicht der Eindruck einer geschäftlichen Verbindung zwischen dieser und der Klägerin erweckt, weil die Beklagte nicht nur die Jö-Kundenkarte, sondern auf dieselbe Weise auch Kundenkarten anderer Anbieter abbildet und zu diesem Zweck für die Darstellung der jeweiligen Kundenkarte die zugehörige Marke verwendet, sodass der Nutzer rasch und benutzerfreundlich seine Auswahl treffen kann. Dadurch wird auch die Wirksamkeit von Werbemaßnahmen der Klägerin nicht geschmälert, weil die Jö-Kundenkarte nach dem vermittelten Eindruck eine von vielen Kundenkarten ist, die in der elektronischen Brieftasche der Beklagten virtuell abgebildet werden. Werbung für die Jö-Kundenkarte erkennt der Verbraucher als Werbung speziell für diese Karte. Aus diesem Grund liegt auch keine schmarotzerische Ausbeutung vor.

 

Die Einbindung der Jö-Kundenkarte in die App der Beklagten unter Verwendung der Wort-Bild-Marken der Klägerin zur Auswahl der Jö-Kundenkarte aus einer Vielzahl von anderen Kundenkarten ist ein Verweis auf eine Zusatzdienstleistung der Beklagten und damit eine Bestimmungsangabe iSd § 10 Abs 3 Z 3 MSchG, die in der konkreten Ausgestaltung zulässig ist und keine unlautere Geschäftspraktik begründet. Warum die „Datenverwendung durch die App der Beklagten“ dieses Ergebnis ins Gegenteil verkehren soll, vermag das Rekursgericht nicht zu erklären. Nach den Feststellungen kann der jeweilige Nutzer über die App der Beklagten auf sein eigenes Jö-Kundenkonto zugreifen, wobei er zu diesem Zweck sein Jö-Kennwort und sein Jö-Passwort eingeben muss. Über die App wird somit lediglich der Zugang zum Jö-Kundenkonto hergestellt; die abrufbaren Informationen sind jene aus diesem Kundenkonto. Die App funktioniert somit nur als Anwendungstool für den Konto-Zugang. Auch dabei handelt es sich um eine Zusatzdienstleistung zur Jö-Kundenkarte der Klägerin. Für den Nutzer ist klar ersichtlich, dass er in sein Jö-Kundenkonto einsteigt, zumal er die dafür von ihm bestimmten Zugangsdaten verwenden muss, was ihm auch erklärt wird. Auch die Speicherung des Jö-Passworts in der App der Beklagten, um den Zugang zum Jö-Kundenkonto zu erleichtern, ändert daran nichts.

 

Dieselben Überlegungen gelten für die Bewerbung der App der Beklagten als Zusatz-Dienstleistung, indem sie die Funktionen ihrer App bildlich darstellt und dazu mehrere Kundenkarten von unterschiedlichen Anbietern abbildet, sofern kein Kundenkartenanbieter übermäßig, etwa blickfangartig in den Vordergrund gerückt oder dessen Ruf sonst unlauter ausgenützt oder beeinträchtigt wird.

 

Nach dem bescheinigten Sachverhalt hat die Beklagte in ihrer Werbung einen Stapel von Kundenkarten abgebildet, wobei an der obersten Stelle die Jö-Kundenkarte positioniert war. Zudem hat das Erstgericht festgehalten, dass keines der abgebildeten Logos im Vergleich zu den anderen besonders hervorgehoben wird. Davon, dass die Beklagte die Klagsmarken blickfangartig in den Vordergrund gerückt hätte, kann demnach nicht ausgegangen werden. Außerdem wäre in dieser Hinsicht – entgegen der Beurteilung des Rekursgerichts – durch die abgegebene Unterlassungserklärung, die ein Angebot zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs enthält, auch die Wiederholungsgefahr weggefallen, weil die Unterlassungserklärung zutreffend auf eine solche blickfangartige Werbung mit den Klagsmarken abstellt.