OGH: Zur Haftung der Rechtsanwaltskammer iZm der Vertrauensschadenversicherung
Verlangen die Versicherungsbedingungen der Vertrauensschadenversicherung bloß eine wissentliche Abweichung von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder eine sonstige wissentliche Pflichtverletzung, müssen die Schadenfolgen vom bedingten Vorsatz nicht (mit-)umfasst sein
§ 1 AHG, § 10a RAO, § 21a RAO, § 23 RAO
GZ 1 Ob 137/20h, 27.11.2020
OGH: Der RAK kommt gem § 23 Abs 6 RAO ua die Aufgabe zu, eine Treuhandeinrichtungzu errichten, die dem Schutz der Abwicklung von Treuhandschaften nach § 10a Abs 2 dient, und eine Versicherung zur Sicherung der Rechte der Treugeber am Treuhanderlag abuzschließen, deren Treuhandschaften über die von der RAK zu führende Treuhandeinrichtung abgewickelt werden. Nach den Bedingungen der hier abgeschlossenen Vertrauensschadensversicherung ist Versicherungsfall der Beschluss der RAK, mit welchem der eingetretene Vertrauensschaden festgestellt wird. Nicht unter die Versicherung fallen nach den vorliegenden Bedingungen Treuhandschaften, die nicht iSd Statutes des Treuhandverbandes der RAK abgewickelt werden und keiner Dispositionskontrolle bei einer Bank unterworfen sind.
Die nach § 23 Abs 6 RAO von der Kammer abzuschließenden Vertrauensschadenversicherung soll eine „Lücke“ schließen, die (aus Sicht des Klientenschutzes) im Bereich der (gem § 21a RAO von jedem Anwalt vor Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte abzuschließenden) Berufshaftpflichtversicherung besteht. In deren Rahmen besteht nämlich keine Deckung für Schäden, die durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingungen des Machtgebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung verursacht werden. Dieser Intention des Gesetzgebers folgt die abgeschlossene Versicherung auch: Sie deckt gerade jene Schäden, die durch eine(n) in den Versicherungsschutz eingeschlossene(n) Vertrauensperson/Versicherten im Rahmen ihrer/seiner Berufsausübung und „infolge vorsätzlich unerlaubter Verfügung über ein im Rahmen einer vertraglich übernommenen Treuhandschaft anvertrautes Gut einem Klienten zugefügt“ werden. Ausdrücklich ist „Schadensstiftung durch wissentliche Abweichung von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung mitversichert.
Verlangen die Versicherungsbedingungen der Vertrauensschadenversicherung - wie hier - bloß eine wissentliche Abweichung von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder eine sonstige wissentliche Pflichtverletzung, müssen die Schadenfolgen vom bedingten Vorsatz nicht (mit-)umfasst sein, sodass die RAK zur Fassung des Beschlusses, mit welchem der eingetretene Vertrauensschaden festgestellt wird, gem den Versicherungsbedingungen verpflichtet sein kann.