OGH: Zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen (Abfindungsklausel bei KG)
Die Vereinbarung einer „angemessenen“ Abfindung ist dahin auszulegen ist, dass der ausscheidende Gesellschafter nicht in einer Höhe abgefunden werden muss, der seinem Anteil am Verkehrswert des Gesellschaftsvermögens entspricht
§ 137 UGB, § 914 ABGB, § 879 ABGB
GZ 6 Ob 96/20s, 25.11.2020
OGH: Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften sind nach § 914 ABGB auszulegen. Dabei ist insbesondere der dem Gesellschaftsrecht eigene Treuegedanke unter Bedachtnahme auf die berechtigten Belange aller Beteiligten zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Regelungen über den Abfindungsanspruch (§ 137 UGB) sind dispositiv. Abweichende Gestaltungen in Gesellschaftsverträgen dienen einerseits der Beseitigung von Unsicherheiten über die Bewertung durch die Vereinbarung bestimmter Bewertungsansätze, andererseits dem Ziel, die Höhe oder Fälligkeit des Abfindungsanspruchs derart zu modifizieren, dass die mit der Erfüllung verbundene Einbuße an Liquidität für die Gesellschaft erträglicher wird. Dabei können auch beide Zwecke miteinander verbunden werden, zB mit einer Buchwertklausel. Durch sie sollen klare und eindeutige Bewertungsansätze vereinbart werden. Zudem wird die Gesellschaft zumeist damit rechnen können, dass die Buchwerte hinter den tatsächlichen Werten zurückbleiben. Buchwertklauseln werden als grundsätzlich zulässig angesehen. Allerdings sind bei diesen - wie bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelungen überhaupt - die gesetzlichen Zulässigkeitsschranken zu beachten.
Die Höhe der Barabfindung muss angemessen sein, dh sie muss eine Abgeltung des vollen wirtschaftlichen Werts der Anteilsrechte des ausscheidenden Gesellschafters darstellen. Der Gesellschafter soll aus der Ausübung des Austrittsrechts keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Daraus ergibt sich die Wertung, dass der Gesetzgeber auch bei freiwilligem Ausscheiden bei einem Rechtsformwechsel einer nicht angemessenen Abfindung grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. IdZ ist auch zu betonen, dass der Rechtsformwechsel zwischen Kapitalgesellschaften weniger einschneidend sein dürfte als der Rechtsformwechsel zwischen einer eingetragenen Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft.
Vorliegend kann die Normierung einer von den Regeln des UGB abweichenden Berechnungsmethode nur bedeuten, dass die Vereinbarung einer „angemessenen“ Abfindung dahin auszulegen ist, dass der ausscheidende Gesellschafter nicht in einer Höhe abgefunden werden muss, der seinem Anteil am Verkehrswert des Gesellschaftsvermögens (bzw des Unternehmens) entspricht. Eine „angemessene Abfindung“ liegt demnach zwischen dem Verkehrswert und dem Buchwert. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass den gegenläufigen Interessen der ausscheidenden Gesellschafter einerseits und der verbleibenden Gesellschafter andererseits durch einen Abschlag von 20 % vom anteiligen Verkehrswert Rechnung zu tragen ist.