12.01.2021 Zivilrecht

OGH: § 187 ABGB und Anreise mit Kind – Kontaktrecht iZm ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland

Die Einschätzung des Rekursgerichts, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände (Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland durch die Mutter; von den im Zeitraum von zwei Monaten insgesamt vier anfallenden „Kontaktfahrten“ habe die Mutter nur eine zu absolvieren; eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten des Vaters; positives Signal für ihren Sohn, die Mutter unterstütze den Kontakt zum Vater) sei es der Mutter zumutbar, jeden zweiten Monat an einem Sonntag nach Wien und wieder zurück zu reisen, um ihren Sohn abzuholen, ist nicht zu beanstanden


Schlagworte: Familienrecht, persönliche Kontakte, ausländischer Wohnort, Anreise
Gesetze:

 

§ 187 ABGB, § 186 ABGB

 

GZ 1 Ob 181/20d, 20.10.2020

 

OGH: Grundsätzlich kann der (primär) zur Pflege und Erziehung berufene Elternteil, selbst wenn er finanziell dazu im Stande wäre, nicht verpflichtet werden, das Kind, das sich ständig im Ausland aufhält, dem anderen Elternteil – allein um ihm den persönlichen Verkehr mit seinem Kind zu erleichtern oder zu ermöglichen – an einem bestimmten Ort (im Inland) zuzuführen; der Kontaktberechtigte hat vielmehr selbst das Kind von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und dorthin zurückzubringen. In der Rsp ist aber anerkannt, dass besondere Umstände Ausnahmen von diesem Grundsatz rechtfertigen können. Dabei sind nicht nur psychologische Aspekte bestimmend, sondern auch eine Reihe weiterer, vor allem wirtschaftlicher und organisatorischer Faktoren zu beachten, die eine Regelung praktikabel machen; zB bei weiten Entfernungen das Transportproblem und der mit den Fahrten verbundene Zeitaufwand und in diesem Zusammenhang auch finanzielle und berufliche Rücksichten. Ob solche besonderen Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine davon abweichende Kontaktrechtsgestaltung gerechtfertigt erscheinen lassen, ist eine Frage des Einzelfalls.

 

Die Mutter bestreitet nicht das Vorliegen der von ihr durch die Übersiedlung mitverursachten Ausgangslage, nämlich der beachtlichen Entfernung der Wohnorte. Sie erachtet es aber aufgrund ihrer Berufstätigkeit und der Fahrtkosten als unzumutbar, ein Mal in zwei Monaten einen Sonntag im Zug zu verbringen, um ihren Sohn in Wien vom Vater nach der Ausübung des Kontaktrechts abzuholen. Ein zweimonatiges Regelkontaktrecht in Deutschland sei iVm dem Ferienkontaktrecht und den möglichen Videotelefonaten ausreichend. Die Einschätzung des Rekursgerichts, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände (Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland durch die Mutter; von den im Zeitraum von zwei Monaten insgesamt vier anfallenden „Kontaktfahrten“ habe die Mutter nur eine zu absolvieren; eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten des Vaters; positives Signal für ihren Sohn, die Mutter unterstütze den Kontakt zum Vater) sei es der Mutter zumutbar, jeden zweiten Monat an einem Sonntag nach Wien und wieder zurück zu reisen, um ihren Sohn abzuholen, ist nicht zu beanstanden. Zudem wäre ein Kontaktrecht im Ausmaß von nur einem Wochenende alle zwei Monate zwischen dem Vater und seinem achtjährigen Sohn für eine tragfähige Beziehung nicht ausreichend.