OGH: Zur gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers nach § 130 Abs 2 AktG
Ergibt sich, dass das beanstandete Verhalten im Zeitpunkt, zu dem es gesetzt wurde, rechtlich umstritten war, so kann das gegen die Qualifikation als Unredlichkeit oder grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzung sprechen
§ 130 AktG, § 45 GmbHG
GZ 6 Ob 93/20z, 25.11.2020
OGH: Nach § 130 Abs 2 AktG ist dem Antrag nur stattzugeben, wenn Verdachtsgründe beigebracht werden, dass es bei dem zu prüfenden Vorgang zu Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung gekommen ist. Durch dieses Erfordernis wird der Prüfungsgegenstand gegenüber § 130 Abs 1 AktG über die Bestellung von Sonderprüfern durch die Hauptversammlung wesentlich eingeschränkt, indem eine besondere Qualität der zu prüfenden Vorgänge bzw Pflichtverletzungen verlangt wird.
Eine Unredlichkeit erfordert die subjektive Vorwerfbarkeit und einen besonderen subjektiven Unwert des Verhaltens. Die Beurteilung, ob es sich um eine grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung handelt, hat anhand der Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung des Verschuldensgrades, der Schwere des Pflichtverstoßes und der Schadenshöhe zu erfolgen. Ergibt sich, dass das beanstandete Verhalten im Zeitpunkt, zu dem es gesetzt wurde, rechtlich umstritten war, so kann das gegen die Qualifikation als Unredlichkeit oder grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzung sprechen; auch dafür kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalls an.
Sonderprüfer dürfen nicht generell mit der Kontrolle der Geschäftsführung beauftragt werden, sondern es muss sich um Vorgänge bestimmter Art handeln. Allerdings darf der Begriff der „Geschäftsführung“ nicht eng ausgelegt werden. Auch Vorgänge der Geschäftsführung iZm der Durchführung von Kapitalerhöhungen - wie im vorliegenden Fall - können Gegenstand einer Sonderprüfung sein. Nach stRsp besteht aber kein Grundsatz, wonach die Sonderprüfung sich auf die tatsächliche oder wirtschaftliche Nachprüfung der geprüften Geschäftsführungsvorgänge zu beschränken hätte und ihr deren rechtliche Beurteilung verwehrt bliebe. Der Rsp, dass dem Sonderprüfer die rechtliche Beurteilung der prüfwürdigen Umstände nicht verwehrt sei, liegt offenkundig die Erwägung zugrunde, dass die Ermittlung der für eine mögliche Pflichtverletzung relevanten Tatsachengrundlage voraussetzt, dass sich der Sonderprüfer ein Urteil darüber bildet, auf welche Tatsachen es dazu überhaupt ankommt. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Bestellung eines Sonderprüfers nach § 130 Abs 2 AktG ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.