29.12.2020 Verfahrensrecht

OGH: Zur Annexzuständigkeit nach Art 5 EuEheGüVO

Die Annexzuständigkeit nach Art 5 EuEheGüVO endet, wenn das Eheverfahren rechtskräftig beendet wurde


Schlagworte: Europäisches Verfahrensrecht, internationale Zuständigkeit, Eherecht, Ehegüterrecht, ehelicher Güterstand, Scheidung, Aufteilung, anhängiges Verfahren, Anfechtung, Scheidungsfolgenvergleich
Gesetze:

 

Art 1 EuEheGüVO, Art 3 EuEheGüVO, Art 5 EuEheGüVO

 

GZ 9 Ob 32/20a, 21.10.2020

 

OGH: Nach Art 1 Abs 1 EuEheGüVO findet diese VO auf die „ehelichen Güterstände“ Anwendung. Dieser Begriff wird in Art 3 Abs 1 lit a EuEheGüVO definiert als sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten. Der Anwendungsbereich der VO erstreckt sich „auf alle zivilrechtlichen Aspekte der ehelichen Güterstände und betrifft sowohl die Verwaltung des Vermögens der Ehegatten im Alltag als auch die güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere infolge der Trennung des Paares oder des Todes eines Ehegatten. Der Begriff „ehelicher Güterstand“ schließt nicht nur vermögensrechtliche Regelungen ein, die bestimmte einzelstaatliche Rechtsordnungen speziell und ausschließlich für die Ehe vorsehen, sondern auch sämtliche vermögensrechtlichen Verhältnisse, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen gegenüber Dritten direkt infolge der Ehe oder der Auflösung des Eheverhältnisses gelten.

 

Durch die Annexzuständigkeit nach Art 5 EuEheGüVO soll eine enge Verbindung zwischen dem Eheverfahren und dem die güterrechtlichen Angelegenheiten betreffenden Verfahren (Güterrechtsverfahren) gewährleistet werden. Dies führt zu einer Konzentration der Verfahren in einem Staat und soll der Rechtssicherheit dienen. Um der zunehmenden Mobilität von Paaren während ihres Ehelebens Rechnung zu tragen und eine geordnete Rechtspflege zu erleichtern, sollten die Zuständigkeitsvorschriften in dieser VO den Bürgern die Möglichkeit geben, miteinander zusammenhängende Verfahren vor den Gerichten desselben Mitgliedstaats verhandeln zu lassen. Hierzu soll mit dieser VO angestrebt werden, die Zuständigkeit für den ehelichen Güterstand in dem Mitgliedstaat zu bündeln, dessen Gerichte berufen sind, nach der EuErbVO über die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem Ehegatten oder nach der Brüssel IIa-VO über die Scheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebands oder die Ungültigerklärung einer Ehe befinden. Die Annexzuständigkeit nach Art 5 EuEheGüVO setzt daher voraus, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats nach der Brüssel IIa-VO angerufen wurden. Die EuEheGüVO regelt nicht, zu welchem Zeitpunkt die Annexzuständigkeit endet. Es entspricht aber der hL, dass die Annexzuständigkeit entsprechend Art 12 Abs 2 lit a und c Brüssel IIa-VO endet, wenn das Eheverfahren rechtskräftig beendet wurde oder aus einem anderen Grund - etwa einer Klagsrückziehung - beendet worden ist. Hier war aber im Zeitpunkt der Einbringung der Klage auf Anfechtung des Scheidungsvergleiches kein Scheidungsverfahren mehr anhängig, von dem eine Annexzuständigkeit abgeleitet hätte werden können.