OGH: Zur Frage, ob bei Nominierung eines ausgeschlossenen oder befangenen Schiedsrichters eine wirksame Anrufung der Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 vorliegt
Als absolut ungeeignet sind nur solche Kandidaten anzusehen, denen es an statutengemäß erforderlichen objektiven Eigenschaften mangelt (zB Vereinsmitgliedschaft) oder die selbst als Antragsteller oder Antragsgegner Partei des beabsichtigten Verfahrens sind; Auseinandersetzungen der Streitparteien über die Befangenheit von nominierten Schlichtern können nicht den Beginn der Frist nach § 8 Abs 1 VerG 2002 hinausschieben, sondern sind Teil des Schlichtungsverfahrens
§ 8 VerG 2002
GZ 8 Ob 77/20m, 28.09.2020
OGH: Dem nach § 8 Abs 1 VerG 2002 obligatorischen Schlichtungsverfahren liegt nach den Materialien – neben einer Entlastung der ordentlichen Gerichte – die Überlegung zugrunde, dass Vereinsverhältnisse oft Sonderbeziehungen darstellen, die es angebracht erscheinen lassen, die Vereinsmitglieder vor der Anrufung eines Gerichts zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung anzuhalten. Kommt es zu keiner Beendigung des Schlichtungsverfahrens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Anrufung, kann jedenfalls das Gericht angerufen werden, um eine unerwünschte Verzögerung des effektiven Rechtsschutzes zu vermeiden.
Nach der Rsp ist unter „Anrufung“ der Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG 2002 der nach den Statuten erste konkrete, erforderlichenfalls auch unter Namhaftmachung von Schlichtern gestellte Antrag auf Konstituierung der Schlichtungseinrichtung zu werten. Weitere Überprüfungen des Verhaltens der Streitteile sind im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs grundsätzlich nicht gefordert.
Um die Gesetzesintention, der internen Streitbeilegung unter den Vereinsmitgliedern Vorrang zu gewähren, nicht zu vereiteln, muss der Antrag in jenen Fällen, in denen die Schlichtungseinrichtung nach den Vereinsstatuten erst im Anlassfall von den Streitparteien zu konstituieren ist, darüber hinaus auch die nach den Statuten jeweils erforderliche Mitwirkung des Antragstellers an der Konstituierung dieser Einrichtung umfassen. Die Anrufung der Einrichtung ohne die Statuten gemäß Benennung der Schlichter löst die sechsmonatige Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 noch nicht aus.
Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als absolut ungeeignet nur solche Kandidaten anzusehen sind, denen es an statutengemäß erforderlichen objektiven Eigenschaften mangelt (zB Vereinsmitgliedschaft) oder die selbst als Antragsteller oder Antragsgegner Partei des beabsichtigten Verfahrens sind. Der Ansicht, dass die vom Kläger namhaft gemachten Schlichterinnen schon wegen des familiären Verhältnisses und bestehender eigener Interessen am Verfahrensausgang als absolut untauglich anzusehen wären, ist nicht zu folgen. Der Umstand, dass eine der namhaft gemachten Personen ein eigenes rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers hätte, begründet nicht ihre Parteistellung. Die subjektive Befangenheit aufgrund eines persönlichen bzw familiären Naheverhältnisses bewirkt allenfalls eine relative Untauglichkeit im Einzelfall.
Auseinandersetzungen der Streitparteien über die Befangenheit von nominierten Schlichtern können daher nicht den Beginn der Frist nach § 8 Abs 1 VerG 2002 hinausschieben, sondern sind Teil des Schlichtungsverfahrens.