15.12.2020 Verfahrensrecht

OGH: Bewertungsausspruch nach § 500 ZPO iZm Zug-um-Zug-Verpflichtung

Wenn nur mehr die Zug-um-Zug-Verpflichtung strittig ist, ist der Wert des Entscheidungsgegenstandes sowohl durch das Klagebegehren als auch durch den Wert der Gegenleistung beschränkt; heranzuziehen ist regelmäßig der jeweils niedrigere Wert


Schlagworte: Revision, Bewertungsausspruch, Zug-um-Zug-Verpflichtung
Gesetze:

 

§ 500 ZPO, § 56 JN

 

GZ 6 Ob 180/20v, 16.09.2020

 

OGH: Da im vorliegenden Fall der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht und das Berufungsgericht keine Bewertung gem § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vorgenommen hat, kann der OGH derzeit nicht beurteilen, ob im Hinblick auf § 502 Abs 2 und 3 ZPO die Revision nicht uU jedenfalls unzulässig ist.

 

Zwar bestimmt sich nach verbreiteter Auffassung, wenn nur mehr die Gegenleistung strittig ist, die Zug-um-Zug gegen Erfüllung des Hauptanspruchs zu erbringen ist, der Wert des Streitgegenstands im Rechtsmittelverfahren nach der Gegenleistung. Diese Auffassung geht auf den Rechtssatz RS0042952 zurück und wird in der Kommentarliteratur von Gitschthaler und Lovrek übernommen.

 

Dieser Rechtssatz beruht jedoch lediglich auf zwei, zudem bereits länger zurückliegenden Entscheidungen (6 Ob 556/84 und 8 Ob 150/08d). Die E 6 Ob 556/84 betraf nicht den „Entscheidungsgegenstand“ des Berufungsgerichts, sondern – entsprechend der damaligen Rechtslage – den „Beschwerdegegenstand“. Die E 8 Ob 150/08d führt lediglich im Rahmen der Kostenentscheidung, nicht iZm der Bewertung des Entscheidungsgegenstands, aus, Bemessungsgrundlage im Berufungsverfahren ist der Wert der strittigen Gegenleistung (Zug-um-Zug-Verpflichtung). Für Zwecke der Kostenentscheidung erscheint in Anbetracht des im Kostenrecht geltenden Prinzips der wirtschaftlichen Betrachtung sachgerecht, nur auf den „Streitwert“ jener Punkte abzustellen, die im (Rechtsmittel-)Verfahren materiell strittig waren. Auf den Bewertungsausspruch nach § 500 ZPO ist dies nicht zwingend zu übertragen.

 

Die dritte unter dem Rechtssatz RS0042952 indizierte Entscheidung (1 Ob 253/09a) vertritt den gegenteiligen Standpunkt: Demnach ist der Zug-um-Zug-Einwand bei der Bewertung des Streitgegenstands nicht zu berücksichtigen, weil der Wert des Streitgegenstands – und damit auch jener des Entscheidungsgegenstands des Berufungsgerichts – regelmäßig nicht von den Einwendungen des Beklagten abhängt.

 

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für Zwecke der vom Gesetz nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO verlangten Bewertung des Entscheidungsgegenstands zu differenzieren: Der Wert des vom Kläger verfolgten Rechtsschutzziels spiegelt sich regelmäßig im Klagebegehren wider. Der Kläger erhält im für ihn günstigsten Fall das gesamte Klagebegehren ohne Gegenleistung zugesprochen. Auch bei einem Zug-um-Zug-Einwand kann der Beklagte lediglich die Klagsabweisung, nicht aber eine Durchsetzung seines eigenen, dem Klagebegehren entgegengehaltenen Anspruchs erreichen. Dies spricht dafür, grundsätzlich nur auf den Wert des Klagebegehrens abzustellen.

 

Wenn allerdings – wie im vorliegenden Fall – nur (abgesehen vom Feststellungsbegehren) mehr die Zug-um-Zug-Verpflichtung strittig ist, kann sich aus dem Wert dieser Verpflichtung eine niedrigere Bewertung des Entscheidungsgegenstands ergeben, wenn der Wert der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung niedriger ist als der Wert der Hauptleistung. Keinesfalls rechtfertigt die Höhe der Gegenleistung jedoch einen zwingenden Rückschluss auf den Wert der Hauptleistung. Ist der Wert der Gegenleistung niedriger als derjenige der Hauptleistung, so „droht“ aus Sicht des Klägers lediglich, dass er diese – niedrigere – Gegenleistung erbringen muss; umgekehrt kann der Beklagte mit einem diesbezüglichen Zug-um-Zug-Einwand im günstigsten Fall lediglich erreichen, dass er die Gegenleistung erhält. Ist hingegen der Wert der Gegenleistung höher als derjenige des Klagebegehrens, so „droht“ dem Kläger im schlimmsten Fall (nur) die Klagsabweisung; der Beklagte kann im günstigsten Fall die vollständige Abweisung des Klagebegehrens erreichen; im schlimmsten Fall muss der Beklagte das Klagebegehren erfüllen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erlangen. Zusammenfassend ist der Rechtssatz RS0042952 dahin zu präzisieren, dass dann, wenn nur mehr die Zug-um-Zug-Verpflichtung strittig ist, der Wert des Entscheidungsgegenstands sowohl durch das Klagebegehren als auch durch den Wert der Gegenleistung beschränkt ist; heranzuziehen ist regelmäßig der jeweils niedrigere Wert. § 56 Abs 3 JN ist für die vorliegende Konstellation demgegenüber nicht einschlägig; daraus ergibt sich lediglich, dass dem Kläger obliegende Gegenleistungen vom Streitwert nicht in Abzug zu bringen sind.

 

Da der Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO durch die vom Kläger gem § 56 Abs 2 JN vorgenommene Angabe des Werts des Streitgegenstands nicht ersetzt wird, wird das Berufungsgericht sohin einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gem § 500 Abs 2 Z 1 ZPO (einschließlich des Feststellungsbegehrens) setzen müssen. Sollte das Berufungsgericht aussprechen, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR, läge ein Fall des § 502 Abs 3 ZPO vor. Ob diesfalls das Rechtsmittel den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob es einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.