08.12.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Pflicht des Host-Providers, „sinngleiche Veröffentlichungen“ zu unterlassen

Eine Unterlassungsanordnung ist dann zulässig, wenn sich die „Kern-Übereinstimmung“ auf den ersten laienhaften Blick ergibt oder durch technische Mittel (zB Filtersoftware) festgestellt werden kann


Schlagworte: E-Commerce, Host-Provider, Unterlassungsverpflichtung, Verbot der Veröffentlichung, Internet, Urheberrechtsverletzung, Ehrverletzungen, Facebook, sinngleiche Äußerungen
Gesetze:

 

§ 78 UrhG, § 81 UrhG, § 1330 ABGB, Art 15 EC-RL

 

GZ 6 Ob 195/19y, 26.05.2020

 

OGH: Die EC-RL, insbesondere Art 15 Abs 1, verwehrt es dem Gericht eines Mitgliedstaats nicht, einem Host-Provider aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie jene Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt wurden, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern das Überwachen und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche Informationen beschränkt ist, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, sofern die Informationen die in der Verfügung genau bezeichneten Einzelheiten umfassen und die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zur Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Host-Provider zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen.

 

Dazu verweist der EuGH darauf, dass nach dem Grundsatz der nützlichen Zielerreichung verhindert werden muss, dass die Wirkungen einer Unterlassungsverfügung leicht umgangen werden, indem Aussagen gespeichert werden, die sich kaum von den zuvor für rechtswidrig erklärten Aussagen unterscheiden, was dazu führen könnte, dass die betroffene Person eine Vielzahl von Verfahren anstrengen muss, um das Abstellen des rechtswidrigen Verhaltens zu erwirken. Das Ziel einer Unterlassungsverfügung darf aber nicht durch eine übermäßige Verpflichtung des Host-Providers verfolgt werden. Unter diesen Umständen erscheint eine Unterlassungsverpflichtung, die sich auf Informationen sinngleichen Inhalts erstreckt, hinreichend wirksam, um den Schutz der betroffenen Personen sicherzustellen. Zum anderen wird dieser Schutz nicht durch eine übermäßige Verpflichtung des Host-Providers gewährleistet, sodass er auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen kann.

 

Nach dieser Rsp des EuGH sind sinngleiche Inhalte solche, die im Kern dem als rechtswidrig beurteilten Inhalt entsprechen. Im Rahmen dieser Beurteilung ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Interesse des Klägers an einem effektiven Rechtsschutz und dem Interesse des Providers, keine unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen vornehmen zu müssen, herzustellen. Daher ist eine Unterlassungsanordnung dann zulässig, wenn sich die „Kern-Übereinstimmung“ auf den ersten laienhaften Blick ergibt oder durch technische Mittel (zB Filtersoftware) festgestellt werden kann. Zudem müssen die für das Rechtswidrigkeitsurteil maßgebenden Kriterien in der Unterlassungsverfügung ausreichend bestimmt angegeben werden.