OGH: Zum (echten) Garantievertrag
Die Kosten eines verloren Anfechtungsprozess beruhen auf einem Anspruch des in diesem Verfahren erfolgreichen Insolvenzverwalters aus dem (öffentlich-rechtlichen) Prozessverhältnis und können schon deshalb keine weitere Forderung der klagenden Bank (auf Vergütung von Verfahrenskosten) aus dem Kreditverhältnis begründen
§ 880a ABGB, §§ 914 f ABGB, § 31 IO
GZ 1 Ob 84/20i, 23.09.2020
OGH: Der echte Garantievertrag ist im Gesetz nicht näher geregelt, er kann nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit mit verschiedenem Inhalt geschlossen werden. Ob ein Vertrag (hier: Garantie) im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn das Berufungsgericht in wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielte. Der Grundsatz der formellen Garantiestrenge ist nicht Selbstzweck, sondern kommt nur soweit zum Tragen, als dies dem Willen der Vertragsparteien entspricht. Die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebene Erklärung des Garanten unterliegt daher zwar den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB. Für eine Abweichung vom eindeutigen Wortsinn der Garantieerklärung bedarf es jedoch massiver Anhaltspunkte.
Die klagende Bank will hier die Kosten des von ihr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlorenen Anfechtungsprozesses von der Garantie erfasst wissen. Sie sei zur Führung des nicht aussichtslosen Anfechtungsverfahrens „geradezu verpflichtet“ gewesen. Der von ihr insoweit getragene „Rettungsaufwand“ stelle daher eine Forderung aus ihrer Geschäftsbeziehung zur Kreditnehmerin dar.
Die vom Beklagten abgegebene Garantie diente aber nach dem Wortlaut der Erklärung der Besicherung aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung der Klägerin mit der Kreditnehmerin, der späteren Gemeinschuldnerin. Dass der Insolvenzverwalter die Zahlung der Kreditnehmerin erfolgreich angefochten hat, führte zwar zum Wiederaufleben eines Teils der Forderungen aus dieser Geschäftsverbindung und damit zu einer Insolvenzforderung der Klägerin. Die von der Klägerin aufgrund des verlorenen Anfechtungsprozesses getragenen Prozesskosten beruhen aber auf einem Anspruch des in diesem Verfahren erfolgreichen Insolvenzverwalters aus dem (öffentlich-rechtlichen) Prozessverhältnis und können schon deshalb keine weitere Forderung der Klägerin (auf Vergütung von Verfahrenskosten), die ihr die Kreditnehmerin aus dem Kreditverhältnis geschuldet hätte, begründen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei den der Klägerin als der im Anfechtungsprozess unterlegenen Partei auferlegten Verfahrenskosten nicht um Forderungen aus dem vom Beklagten besicherten Geschäftsverhältnis handelt, ist daher nicht zu beanstanden. Für ein Abweichen vom Wortlaut, der für die Interpretation der Garantieerklärung in erster Linie maßgeblich ist, bieten die Überlegungen der Revisionswerberin, die darauf beruhen, sie habe den Anfechtungsprozess auch im Interesse des Beklagten („Rettungsaufwand“) geführt, keine Anhaltspunkte.