01.12.2020 Strafrecht

OGH: § 314 StPO – Stellung einer Eventualfrage

Der Schluss von einem Verfahrensergebnis auf die verlangte Eventualfrage muss den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechen; bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen sind keine taugliche Grundlage für eine Eventualfrage


Schlagworte: Eventualfrage, Geschworene
Gesetze:

 

§ 314 StPO

 

GZ 13 Os 42/20f, 29.07.2020

 

OGH: Zutreffend kritisiert die Fragenrüge die Aufnahme einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB in das Fragenschema.

 

Eventualfragen sind dann zu stellen, wenn sie durch erhebliche, prozessordnungsgemäß in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) indiziert sind.

 

Der Schluss von einem Verfahrensergebnis auf die verlangte Eventualfrage muss den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechen.

 

Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.

 

Nach der Einlassung der Angeklagten habe sich Erich T***** die Stichverletzung selbst zugefügt. Diese Verantwortung reicht für eine Eventualfrage nach einem Körperverletzungsdelikt nicht hin, sondern müsste, ihre Wahrheit vorausgesetzt, die Freisprechung der Angeklagten zur Folge haben.

 

Nach den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung verstarb Erich T***** an einer Brustkorbstichverletzung links, die ihm durch eine kräftige „von schulterwärts nach fußwärts“ zur Mittellinie hin ins Körperinnere ausgeführte Bewegung zugefügt worden sei und eine Eröffnung der Brusthöhle sowie einen Durchstich des linken Lungenlappens und des Herzbeutels mit erheblichem Blutverlust zur Folge hatte. Zudem ging der Experte vom vollständigen Eindringen der 12 cm langen Klinge des Messers in den Körper aus). Auch dieses Verfahrensergebnis indiziert fehlenden Tötungsvorsatz nach den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht.

 

Bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen sind keine taugliche Grundlage für eine Eventualfrage.

 

Die Voraussetzungen für die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB waren somit insgesamt nicht gegeben.

 

Demnach waren – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufzuheben und die Neudurchführung des Verfahrens anzuordnen (§ 349 Abs 1 StPO).