01.12.2020 Zivilrecht

OGH: Zum Widerruf der Bezugsberechtigung (Lebensversicherung)

Erfolgt der Widerruf der Bezugsberechtigung nicht durch eine einseitige Willenserklärung des VN, sondern in einer vertraglichen Vereinbarung (hier: Scheidungsvergleich), so dient die Mitteilung des Vergleichsinhalts mit einer darin gegebenenfalls vereinbarten Änderung der Bezugsberechtigung nur mehr dem Schutz des Versicherers vor einer mehrfachen Inanspruchnahme


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Lebensversicherung, Bezugsberechtigung, Begünstigter, Änderung, Widerruf, einseitige Erklärung, Vertrag, Scheidungsvergleich
Gesetze:

 

§ 166 VersVG

 

GZ 7 Ob 52/20b, 16.09.2020

 

OGH: Nach § 166 Abs 1 VersVG ist bei einer Kapitalversicherung im Zweifel anzunehmen, dass dem VN die Befugnis vorbehalten ist, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen oder an Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Die Befugnis des VN, an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen, gilt im Zweifel auch dann als vorbehalten, wenn die Bezeichnung des Dritten im Vertrag erfolgt ist.

 

Gem § 166 Abs 2 VersVG erwirbt ein als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter, wenn der VN nichts Abweichendes bestimmt, das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Davor hat der (widerruflich) Bezugsberechtigte noch keine gesicherte Rechtsposition, insbesondere keinen Leistungsanspruch, sondern nur eine Erwerbsaussicht, ein unvererbliches „Anwartschaftsrecht“.

 

§ 166 VersVG begründet ein Gestaltungsrecht zur Bezeichnung eines Bezugsberechtigten. Zur Form und zu den Modalitäten der Bezeichnung eines Bezugsberechtigten sowie zu dessen Änderung und Widerruf enthält das Gesetz keine Regelung. Nach hA handelt es sich bei der Ausübung dieser Gestaltungsrechte idR um eine mangels abweichender Vereinbarung formfrei mögliche, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.

 

Im Anlassfall ist allerdings betreffend den fraglichen Widerruf der Bezugsberechtigung nicht eine einseitige Willenserklärung des VN, sondern eine vertragliche Vereinbarung, nämlich der vom VN mit der Klägerin - vor Gericht und damit beweissicher - abgeschlossene Scheidungsvergleich zu beurteilen. Dass die Regelung der Bezugsberechtigung und folglich auch deren Änderung mit einem Vertrag zwischen dem VN und dem Bezugsberechtigten vorgenommen werden kann, entspricht hA. Ein solcher Vergleichsabschluss ist in materiell-rechtlicher Hinsicht mit der inhaltlichen Einigung der Parteien wirksam geworden. Die Mitteilung des Vergleichsinhalts mit einer darin gegebenenfalls vereinbarten Änderung der Bezugsberechtigung kann dann aber nur mehr dem Schutz des Versicherers vor einer mehrfachen Inanspruchnahme dienen.