24.11.2020 Zivilrecht

OGH: Anschein eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft

Grundsätzlich ist nach der Rsp die Frage, ob der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls abhängig; in Zweifelsfällen ist zur Erleichterung einer Klarstellung im Außerstreitverfahren Großzügigkeit angebracht; bei der Abgrenzung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen ist daher im Zweifel im Interesse der Rechtssicherheit für (befristete) Anfechtbarkeit zu entscheiden


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Eigentümergemeinschaft, Anschein eines Mehrheitsbeschlusses, Anfechtbarkeit
Gesetze:

 

§ 24 WEG, § 52 WEG

 

GZ 5 Ob 143/20w, 25.08.2020

 

OGH: Nach gesicherter höchstgerichtlicher Rsp hat auch die Bekämpfung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich im Außerstreitverfahren zu erfolgen. Nur dann, wenn nicht einmal der Anschein eines solchen Beschlusses besteht, wäre unheilbare Nichtigkeit anzunehmen – so etwa dann, wenn die Minderheit unter Ausschluss der Mehrheit einen Beschluss fasst. Zu 5 Ob 133/07f wurde mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf die bisherige Jud und die Gesetzesmaterialien festgehalten, dass eine absolute Nichtigkeit nur bei besonders krassen Verstößen gegen die Rechtsordnung oder die Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts denkbar sei, wobei auf den Anschein eines Mehrheitsbeschlusses abzustellen sei. Fehler bei der Mehrheitsberechnung oder der Stimmauszählung seien in der Lehre nur als Anfechtungsgrund gewertet worden. Dort unterstellte der Fachsenat etwa das Fehlen einer Mehrheit als binnen Monatsfrist geltend zu machenden Anfechtungsgrund dem § 24 Abs 6 WEG, er sprach aus, dass die dort zu beurteilende Verwaltungsmaßnahme, die nach dem Gesetz einer Beschlussfassung durch die Mehrheit zugänglich sei, den Anschein eines Mehrheitsbeschlusses für sich habe. Zu 5 Ob 205/12a sprach der Fachsenat aus, dass Maßnahmen, die nicht Gegenstand der Verwaltung der Liegenschaft sind (dort: die angestrebte Verteilung von über Jahre hinweg aufgelaufenen Kosten der Arbeiten an allgemeinen Teilen abweichend von der allgemeinen Regel des § 32 Abs 1 WEG und die Bereinigung von Rechtsstreitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern bzw diesen und dem Wohnungseigentumsorganisator), keiner Beschlussfassung zugänglich sind. Grundsätzlich ist nach der Rsp die Frage, ob der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls abhängig. In Zweifelsfällen ist zur Erleichterung einer Klarstellung im Außerstreitverfahren Großzügigkeit angebracht; bei der Abgrenzung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen ist daher im Zweifel im Interesse der Rechtssicherheit für (befristete) Anfechtbarkeit zu entscheiden.

 

Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts kam es im Jahr 2018 zu einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über den Wechsel der Hausverwaltung auf die nunmehr bestellte Verwalterin, auch die erforderliche Mehrheit dafür hat das Erstgericht festgestellt. Auf Grundlage dieses Beschlusses wurde die Verwalterbestellung im Grundbuch ersichtlich gemacht. Eine Anfechtung dieses Beschlusses der Eigentümergemeinschaft erfolgte bis zum Datum der Sachbeschlussfassung erster Instanz nicht. Die Abberufung des bisherigen und Bestellung des neuen Verwalters sind Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung und daher grundsätzlich einer Beschlussfassung zugänglich. Angesichts dieser Feststellungen zumindest vom Rechtsschein eines Beschlusses auszugehen und die Mit- und Wohnungseigentümer, die dessen wirksames Zustandekommen bestreiten wollen, auf den Anfechtungsweg nach § 24 Abs 6 WEG zu verweisen, ist keine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit der Korrektur durch den OGH bedürfte. Darauf, ob der Beschluss im Haus angeschlagen wurde (was jedenfalls den Rechtsschein einer bereits abgeschlossenen Beschlussfassung auslöst), kommt es somit nicht an. Wenn auch das Grundbuchsgericht die Rechtmäßigkeit der Verwalterbestellung aus Anlass der beantragten Ersichtlichmachung nicht mehr zu prüfen hatte, liegt es doch in dem von der bisherigen Rsp vorgegebenen Rahmen, spätestens mit der Publizierung der Verwalterbestellung im Grundbuch von einem Rechtsschein einer Beschlussfassung auszugehen.