OGH: Zur Abgrenzung zwischen Mangelschaden und Mangelfolgeschaden
Der Ersatz von sog Mangelfolgeschäden, also weiteren Schäden, die durch die mangelhafte Leistung des Übergebers entstanden sind, ist von dem in § 933a Abs 2 erster Satz ABGB festgelegten Grundsatz des Verbesserungsvorrangs vor dem Geldersatz nicht umfasst
§§ 922 ff ABGB, § 933a ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1323 ABGB
GZ 6 Ob 81/20k, 15.09.2020
OGH: Nach § 933a ABGB idFd GewRÄG kann der Übernehmer auch Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz jedoch zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der Übergeber auch bei „Schadenersatz statt Gewährleistung“ eine zweite Chance erhält. Der Ersatz von sog Mangelfolgeschäden, also weiteren Schäden, die durch die mangelhafte Leistung des Übergebers entstanden sind, ist hingegen von dem in § 933a Abs 2 erster Satz ABGB festgelegten Grundsatz des Verbesserungsvorrangs vor dem Geldersatz nicht umfasst. Die Unterscheidung in Mangel- und Mangelfolgeschäden ist damit für die Frage relevant, für welche Schäden der Vorrang der Verbesserung und des Austauschs gilt.
Allgemein wird der Mangelfolgeschaden dahingehend definiert, dass durch den Mangel ein weiterer Schaden verursacht wurde, der Schaden also nicht nur im Vorhandensein des Mangels besteht. Nach Reischauer entstehen Mangelbeseitigungskosten, also jene Kosten, die aufgewendet werden, um den Mangel zu beseitigen, wegen des „Mangels selbst“; sie sind deshalb keine Mangelfolgeschäden. Dabei betont Reischauer, die Rsp habe den Ersatz der Verbesserungskosten zunächst „im falschen Gewand der Mangelfolgeschäden“ gewährt. Tatsächlich gehe es – so Reischauer – beim Mangelfolgeschaden um jeden Schaden, der wegen der Mangelhaftigkeit der Sache entsteht, nicht im Mangel selbst liegt und auch nicht in den Kosten der Mangelbeseitigung besteht. Sind etwa die Bremsbeläge des gelieferten Autos mangelhaft, so handle es sich – soweit es um den Zustand des Autos geht – um einen Mangelschaden; versagen aufgrund des mangelhaften Zustands die Bremsen, kommt es zu einem Unfall und wird der Lenker verletzt, so liege ein Mangelfolgeschaden vor. Ebenso wenn die eingebaute Stiege einstürze und infolgedessen der Besteller verletzt werde. Löst sich von der geleisteten Sache (etwa einer Badverfliesung) wegen eines Mangels ein Teil (eine Fliese) und beschädigt diese ein anderes Gut des Gläubigers (etwa die Badewanne), so sei bezüglich der Mangelbeseitigung § 933a Abs 2 ABGB anzuwenden, hinsichtlich des Mangelfolgeschadens dagegen § 1323 ABGB.
In einem dem hier zu beurteilenden Sachverhalt (durch den Montagefehler der Beklagten, nämlich die fehlerhafte Klotzung, rutschte die Glasscheibe nach unten, wodurch es zu einem Glas-Metall-Kontakt mit der unteren Schraube der Glashalteleisten und in weiterer Folge zum Bruch der Glasscheibe kam) vergleichbaren Fall ging der OGH nicht von einem Mangelfolge-, sondern von einem Mangelschaden aus (9 Ob 3/09w). Dort war ein lockerer Befestigungsbolzen für die Spannrolle des Zahnriemens die Ursache für das zwingende „Weiterfressen" des Mangels in der Form, dass schon nach kurzer Inbetriebnahme des PKW der Zahnriemen riss, was zu einem Motorschaden führte; dieses „Weiterfressen“ habe die Fahruntüchtigkeit des PKW bewirkt. In der E 5 Ob 65/18x wiederum ging es um einem Schaden an einem Wasserrohr, der bei Benützung durch den Innendruck zu einem Wasseraustritt führte. Der 5. Senat führte aus, der Schaden an dem Wasserrohr sei „zweifelsfrei“ ein Mangel iSd § 922 Abs 1 ABGB, wobei es keine Rolle spiele, ob dieser Mangel durch einen Verlegungsfehler der (dort) Beklagten entstanden war oder nicht.
Auf jene Entscheidungen, die das Berufungsgericht zum Anlass nahm, die ordentliche Revision gem § 519 Abs 1 Z 2, Abs 2 ZPO für zulässig zu erklären, weil sie seiner rechtlichen Beurteilung entgegenstünden, kann sich die Klägerin nicht berufen. Die E 6 Ob 546/84 erging lange vor Inkrafttreten des GewRÄG. Und die E 7 Ob 103/14v wiederholte zwar die Aussage der erstgenannten Entscheidung, wonach es sich „um einen Mangelfolgeschaden auch [handle], wenn das Werk selbst infolge eines Mangels beschädigt wurde“; sie schränkte diese Aussage aber zutreffend und unter Hinweis auf die Entscheidung 9 Ob 3/09w dahin ein, dass es sich dabei nicht um ein „Weiterfressen“ eines bereits bei Übergabe angelegten Mangels handeln dürfe. Tatsächlich war es durch die mangelhafte Ausführung einer (undichten) Bodenanschlussfuge zwischen Kelleraußenwand und Fundamentplatte lediglich durch von außen eindringendes Wasser zu einer Beschädigung des Kellergeschosses gekommen, was nach Ansicht des 7. Senats ein typischer Mangelfolgeschaden sei, habe es doch insofern eines externen Einflusses zur Schadensherbeiführung bedurft. Ein solcher externer Einfluss war im Übrigen auch Auslöser für den Einsturz einer Vordachkonstruktion in der E 6 Ob 546/84, die fehlerhaft statisch berechnet worden war und eine mangelhafte konstruktive Durchbildung aufgewiesen hatte: Zum Einsturz kam es infolge des Druckes auf dem am Vordach liegenden Schneelast. Derartige externe Einflüsse auf die von der Beklagten eingebauten Glasscheibe wurden hier jedoch weder behauptet noch festgestellt.
Die Annahme des Vorliegens eines Mangel- und nicht eines Mangelfolgeschadens durch das Berufungsgericht begegnet somit keinen Bedenken des OGH.
Dass in diesem Fall die Schulerhalterin bzw die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit zur Verbesserung hätten einräumen müssen, stellt die Klägerin in ihrem Rekurs nicht (mehr) in Frage. Dass der Übernehmer allerdings auch dann, wenn er dem Veräußerer (Werkunternehmer) keine Verbesserungsmöglichkeit eröffnete, sondern vielmehr die Sache selbst oder (im Regelfall) durch einen Dritten verbessern ließ, jedenfalls jene Kosten begehren kann, die der Veräußerer (Werkunternehmer) hätte aufwenden müssen, wenn ihm die im Gesetz grundsätzlich vorgesehene „Chance zur zweiten Andienung“ eingeräumt worden wäre, hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Wenn es bezüglich dieser Kosten eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen durch das Erstgericht für notwendig erachtete, so entzieht sich dies der Beurteilung des OGH.
Die Klägerin weist in ihrem Rekurs darauf hin, dass die Beklagte auch noch während des gerichtlichen Verfahrens das Vorliegen eines Mangels bestritten habe, weshalb sie im Hinblick auf die Verweigerung der Mangelbeseitigung durch die Beklagte selbst bei Annahme eines Mangelschadens berechtigt sei, die Reparaturkosten in Höhe des Klagsbetrags zu fordern. Darauf hat sich die Klägerin allerdings im Verfahren erster Instanz gar nicht berufen. Im Übrigen hat die Beklagte zwar im Einspruch vorgebracht, es liege kein Mangel vor, sie brachte aber außerdem vor, selbst wenn ein von ihr zu vertretender fehlerhafter Einbau der Glasscheibe vorgelegen sein sollte, wäre der geltend gemachte Anspruch der Höhe nach völlig ungerechtfertigt, sei ihr doch keine Gelegenheit zur Verbesserung gegeben worden (vgl dazu 8 Ob 14/08d, wo nicht beanstandet wurde, dass der Übergeber sowohl das Vorliegen eines Mangels bestritten als auch die voreilige Selbstverbesserung eingewendet hatte).