13.10.2020 Zivilrecht

OGH: Zu den Pflichten des Eigentümers des dienenden Grundstücks

Der Servitutsverpflichtete muss die natürlich in den Servitutsweg hineinwachsenden Äste und Stauden nicht selbst beseitigen; es trifft ihn auch keine Haftung für allfällige durch hereinwachsende Äste verursachte Schäden an Fahrzeugen des Servitutsberechtigten


Schlagworte: Dienstbarkeitsrecht, Servitut, Fahrtrecht, Wegerecht, Fahrtrecht, Waldweg, Ausschneiden, Erhaltungspflicht, Duldung, Gestatten
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 482 ABGB

 

GZ 1 Ob 129/20g, 23.07.2020

 

OGH: Aus § 482 und § 484 ABGB ergibt sich, dass der Servitutsverpflichtete idR nicht zu einem positiven Tun, sondern nur zu einem Gestatten verpflichtet ist. Er ist unter bestimmten Umständen sogar berechtigt, die Befugnis aus der Servitut einzuschränken, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten. Der Widerstreit zwischen den Interessen der Parteien ist in ein billiges Verhältnis zu setzen. Eine Einschränkung der Servitut kommt bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände in Frage, die klar für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten sprechen. Diese Grundsätze sind auch für die Beantwortung der Frage heranzuziehen, inwieweit der Servitutsverpflichtete gehalten ist, nachteilige Einwirkungen zu verhindern, die von seiner Liegenschaft aufgrund von Naturereignissen auf den Servitutsgegenstand einwirken.

 

Der Servitutsberechtigte eines Wegs, der teilweise durch ein Waldgrundstück führt, muss von vornherein mit gewissen Behinderungen der Wegbenützung durch von den Bäumen herabfallende Teile (Äste) rechnen, was auch bei einer fachgerechten Pflege des Baumbestands nie ganz zu vermeiden ist. Ebenso ist ein gelegentliches Umstürzen von Bäumen bei extremen Wetterverhältnissen (zB Wirbelstürmen) nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten. Derartige Naturereignisse sind vom Servitutsberechtigten grundsätzlich hinzunehmen, ohne dass er Vorkehrungen vom Servitutsverpflichteten gegen derartige Einwirkungen verlangen könnte, ist doch letzterer grundsätzlich nicht zu positiven Handlungen verpflichtet und ergibt auch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, dass eher der Servitutsberechtigte gelegentliche Unannehmlichkeiten und Einschränkungen der Wegbenützung hinzunehmen hat, als dass der Verpflichtete zu aufwendigen und umfangreichen Vorkehrungen verhalten wäre.

 

Nach § 482 ABGB kommen alle Servituten darin überein, dass der Besitzer der dienstbaren Sache idR nicht verbunden ist, etwas zu tun, sondern nur einem anderen die Ausübung eines Rechts zu gestatten oder das zu unterlassen, was er als Eigentümer sonst zu tun berechtigt wäre. § 483 Satz 1 ABGB bestimmt darüber hinaus, dass auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, idR vom Berechtigten getragen werden muss. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Servitutsverpflichtete die auf natürlichem Weg hineinwachsenden Äste und Stauden nicht selbst beseitigen muss und ihn auch keine Haftung für allfällige durch hereinwachsende Äste verursachte Schäden an Fahrzeugen des Servitutsberechtigten trifft.