OGH: Vergleichsweise vorgenommene Festlegung der Grenze bei nicht in den Grenzkataster aufgenommenen Grundstücken
Vom Senat wurde jüngst klargestellt, dass Naturgrenzen nicht nur zum Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs von den damaligen Nachbarn akzeptierte Grenzen sein können; vielmehr ist der zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehende oder seither rechtswirksam in der Natur veränderte Grenzverlauf maßgebend; für die Feststellung der Naturgrenze kommt es damit auf die Akzeptanz der Parteien nicht an; es ist zwar durchaus möglich, dass es im Fall der ursprünglichen Bestimmung des Grenzverlaufs durch die Naturgrenze nachträglich durch eine Einigung der Nachbarn zu einer Veränderung des ursprünglichen eigentumsrechtlichen Grenzverlaufs kommt; dies bedeutet aber nicht, dass die Akzeptanz der Naturgrenze konstitutives Merkmal für deren Maßgeblichkeit wäre
§ 850 ABGB, § 851 ABGB
GZ 4 Ob 82/20t, 02.07.2020
OGH: Besteht Streit über den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf, so ist die richtige Grenze laut aktuellem Grundbuchsstand festzustellen. Dabei ist nach der Rsp nicht auf die Mappengrenzen abzustellen. Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Einigkeit, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (zB Grenzsteine, Metallmarken, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (zB Mauern, Zäune, Bäume, Böschungskanten, natürliche Grenzlinien).
Vom Senat wurde jüngst in der Entscheidung 4 Ob 21/19w klargestellt, dass Naturgrenzen nicht nur zum Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs von den damaligen Nachbarn akzeptierte Grenzen sein können. Vielmehr ist der zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehende oder seither rechtswirksam in der Natur veränderte Grenzverlauf maßgebend. Für die Feststellung der Naturgrenze kommt es damit auf die Akzeptanz der Parteien nicht an. Es ist zwar durchaus möglich, dass es im Fall der ursprünglichen Bestimmung des Grenzverlaufs durch die Naturgrenze nachträglich durch eine Einigung der Nachbarn zu einer Veränderung des ursprünglichen eigentumsrechtlichen Grenzverlaufs kommt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Akzeptanz der Naturgrenze konstitutives Merkmal für deren Maßgeblichkeit wäre.
Im Anlassfall entspricht der (durch das in der Natur bestehende „L*****bachgerinne“ geprägte) Grenzverlauf laut dem „Ausgleich“ auch der Naturgrenze. Das wird vom Beklagten in seinem Rechtsmittel auch nicht weiter bestritten, vielmehr setzt auch er (ebenso wie die Vorinstanzen) die „Ausgleichsgrenze“ mit der Naturgrenze gleich.
Damit stellt sich die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage nicht, ob die Rechtsvorgänger der Streitteile sich durch den „Ausgleich“ im Jahr 1930 vergleichsweise über die Grenzziehung (entlang der Naturgrenze) geeinigt haben oder nicht. Selbst wenn man dies iSd Ausführungen im Rekurs verneint, wäre nach der oben referierten Rsp dennoch auf die Naturgrenze abzustellen.
Auch der Frage, ob eine vergleichsweise Regelung der Grenze sich unbedingt auf den Verlauf iSd Katastermappe beziehen müsse, kommt daher keine Relevanz zu.
Der Rekurswerber hält der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach das Eigentum des Klägers entlang der im Außerstreitverfahren festgesetzten Grenze (also ohne der kleinen Teilfläche) nachgewiesen worden sei, seinen Standpunkt entgegen, dass mit dem „Ausgleich“ keine vergleichsweise Grenzregelung vorgenommen worden sei. Mangels der oben aufgezeigten fehlenden Relevanz des Ausgleichs für die zu beurteilende Grenzfrage vermag dieses Argument die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu stützen.
Entsprechendes gilt für den Hinweis, dass aufgrund des derzeitigen Verfahrensstands der vom Kläger begehrte Grenzverlauf deshalb nicht als erwiesen angesehen werden könne, weil über eine allfällige Ersitzung des Beklagten noch keine Feststellungen getroffen worden seien. Dieses Argument übersieht, dass das Berufungsgericht dem Erstgericht gerade deshalb die neuerliche Entscheidung aufgetragen hat, damit die Frage der Ersitzung geprüft werden kann.