29.09.2020 Zivilrecht

OGH: Zur „gewillkürten Höchstpersönlichkeitsklausel“ in AGB

Der Ausschluss der Stellvertretung beim Vertragsabschluss ist für die Kunden nachteilig, weil sie uU Online-Angebote nicht in Anspruch nehmen können, zB weil sie sich vertreten lassen wollen, das Internet nicht oft und gern nutzen oder zu einer schützenswerten Gruppe gehören


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Allgemeine Geschäftsbedingungen, AGB, Inhaltskontrolle, gröbliche Benachteiligung, Ausschluss der Stellvertretung, Höchstpersönlichkeitsklausel
Gesetze:

 

§ 864a ABGB, § 879 ABGB

 

GZ 4 Ob 102/20h, 11.08.2020

 

OGH: Bei der Abweichung einer Vertragsklausel von den dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unsachlich und unangemessen ist. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Es ist auf das Ausmaß, den Grund und die sachliche Rechtfertigung der zu Lasten des Kunden vorgenommenen Abweichungen vom dispositiven Recht ebenso Rücksicht zu nehmen wie auf das Ausmaß der verdünnten Willensfreiheit des Kunden, der den für ihn nachteiligen Vertragsbestandteil nicht verhindern kann.

 

Der Ausschluss der Stellvertretung beim Vertragsabschluss weicht vom dispositiven Recht ab. Er ist für die Kunden auch nachteilig, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen die Online-Angebote nicht in Anspruch nehmen können, etwa weil sie sich vertreten lassen wollen, das Internet nicht oft und gern nutzen oder zu einer schützenswerten Gruppe gehören.

Die zur Rechtfertigung der Vertragsklausel vorgebrachten Argumente sind nicht überzeugend:

 

Die IP-Adresse ist zwar einem bestimmten Computer zugeordnet. Welche Person eine Online-Erklärung abgibt bzw ein Online-Formular ausfüllt, kann - ohne Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur - aber nicht gesichert festgestellt werden. Es ist auch nicht sichergestellt, dass die angegebene E-Mail-Adresse der handelnden Person zugeordnet ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit zur Identifizierung des Kunden bzw zur Prüfung der Authentizität der Erklärungen bietet die vertragliche Verpflichtung zum persönlichen Handeln somit keine höhere Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit als ein Handeln durch einen Stellvertreter. Wenn eine Auswahlmöglichkeit zwischen „Eigenabschluss“ und „Stellvertretung“ zugelassen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine wahrheitsgemäße Angabe erfolgt, wesentlich höher als beim derzeitigen System. Der Nachweis der Vollmacht kann durch eine einfache Upload-Funktion ermöglicht werden. Außerdem wird im vorliegenden Fall die beklagte Vermittlerin von vornherein nur tätig, wenn sie vom Kunden tatsächlich bevollmächtigt wurde. Auch die Notwendigkeit der Überprüfung der Vollmacht im Fall einer Stellvertretung spricht nicht für den in den AGB normierten Ausschluss der Stellvertretung.

 

Auch das in den AGB vorgesehene System, für Zahlungen nur das SEPA-Lastschriftmandatsverfahren zuzulassen, ist nach der Rsp für sich selbst schon gröblich benachteiligend. Außerdem gilt für jede (auch autorisierte SEPA-Lastschrift), dass sie der Kunde - innerhalb von acht Wochen nach der Abbuchung - widerrufen und Erstattung verlangen kann.