OGH: Gefahreninformation iSd Art 22 CMR iZm Lithium-Batterien in loser Schüttung
Mit dem aus der AVV stammenden Begriff „gefährliche Bauteile“ wird der konkreten Informationspflicht nach Art 22 CMR nicht entsprochen, weil dieser Begriff eine nur beispielhafte, sehr unterschiedliche Problemstoffe umfassende Aufzählung enthält
Art 22 CMR, Abfallverzeichnis-Verordnung
GZ 7 Ob 50/20h, 08.07.2020
OGH: Nach Art 22 Abs 1 CMR hat der Absender den Frachtführer, wenn er ihm gefährliche Güter übergibt, auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben. Ist diese Mitteilung im Frachtbrief nicht eingetragen worden, so obliegt es dem Absender oder dem Empfänger, mit anderen Mitteln zu beweisen, dass der Frachtführer die genaue Art der mit der Beförderung der Güter verbundenen Gefahren gekannt hat. Gem Art 22 Abs 2 CMR haftet der Absender für alle durch die Übergabe dieser Güter zur Beförderung oder durch ihre Beförderung entstehenden Kosten und Schäden.
Dass es sich bei Akkumulatoren (Batterien) um gefährliche Güter iSd Art 22 CMR handelt, ist im Hinblick auf die dazu in den ADR enthaltenen Regelungen rechtlich unzweifelhaft. Es existiert für diesen Bereich auch etwa eine „Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr der Republik Österreich nach Rn 2010 und 10 602 des ADR über die Beförderung von Akkumulatoren in loser Schüttung (BGBl 1988/356) mit spezifischen Regelungen darüber, welche Akkumulatoren mit welchen spezifisch ausgerüsteten Fahrzeugen in loser Schüttung transportiert werden dürfen.
Die Beklagte als Absenderin war somit nach Art 22 Abs 1 CMR verpflichtet, den Unterfrachtführer über die betreffende Art des Guts zu informieren sowie diesen „auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben“. In der Lehre wird dazu allerdings auch vertreten, dass unter Hinweis auf die im Transportrecht geltenden und jeweils einschlägigen Gefahrengutvorschriften die Bekanntgabe von Gefahrenklassen ausreichen kann, weil diese der (Unter-)Frachtführer kennen muss.
Im vorliegenden Fall enthielt der CMR-Frachtbrief als „Bezeichnung des Gutes“ lediglich den Hinweis „Elektroschrott lose“, aber keine weitergehenden Informationen und insbesondere keine Gefahrenhinweise. Eine dem Art 22 CMR entsprechende „Mitteilung im Frachtbrief“ hat die Beklagte demnach nicht vorgenommen.
Die Unterfrachtführerin hat mit dem von der Beklagten erteilten Transportauftrag allerdings auch den zuvor an ein deutsches Müllabfuhrunternehmen gerichteten Abholauftrag erhalten, der den Hinweis enthielt: „E-Schrott SG3 + SG5, ca. 22 to“ und kleingedruckt „AVV 20 01 35* gebrauchte elektrische und elektronische Geräte, die gefährliche Bauteile 66) enthalten, mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 21 und 20 01 23 fallen“. Die Kennung „AVV 20 01 35*“ bezieht sich offensichtlich auf eine Klassifizierung nach der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung; AVV; BGBl II 2003/570 idgF BGBl II 2008/498, Anlage 2). Die Klassifizierung „20 01 35*“ bezeichnet „gebrauchte elektrische und elektronische Geräte, die gefährliche Bauteile enthalten, mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 21 und 20 01 23 fallen“. Nach der AVV umfassen „gefährliche Bauteile elektrischer und elektronischer Geräte (...) zB Akkumulatoren und unter 16 06 aufgeführte und als gefährlich eingestufte Batterien, Quecksilberschalter, Glas aus Kathodenstrahlröhren und sonstiges beschichtetes Glas“. Daraus wird zwar deutlich, dass es sich bei besagten gefährlichen Bestandteilen – beispielsweise – um „als gefährlich eingestufte Batterien“ handeln kann, eine konkrete Information welche bestimmten gefährlichen Stoffe im betreffenden Ladegut tatsächlich enthalten sind und welche genaue Art von Gefahr damit verbunden ist, ergibt sich daraus aber nicht. Im Ergebnis folgt daher, dass der auf der AVV beruhende Hinweis „gefährliche Bauteile“ wegen der damit verbundenen bloß beispielhaften und sehr unterschiedliche Problemstoffe umfassenden Aufzählung keine dem Art 22 CMR entsprechende konkrete Gefahreninformation darstellt.
Da die Beklagten somit ihrer Informationspflicht nach Art 22 CMR nicht entsprochen hat, muss sie für alle durch die Beförderung dieser Güter entstandenen Schäden einstehen. Es handelt sich dabei um eine verschuldensunabhängige Haftung, die insbesondere auch den hier vorgelegenen Sachschaden am Fahrzeug umfasst.