OGH: Zur Frage, ob der Antragsteller nach § 1425 ABGB wegen Unzufriedenheit des Gläubigers und/oder Unklarheit der Rechtslage zum gerichtlichen Erlag von treuhändig übernommenen Spendengeldern berechtigt ist
Streit besteht nur darüber, ob eine Nachweispflicht betreffend Mittelverwendung besteht und eine entsprechende Vereinbarung zur Voraussetzung der Schenkung gemacht werden kann; das ist aber nicht „Unzufriedenheit der Gläubigerin mit dem Angebotenen“, sondern die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und Rechtslage zwischen den Parteien, die im Verhältnis zwischen einem Schuldner und einem einzelnen Gläubiger kein Recht zur Hinterlegung gewährt
§ 1425 ABGB
GZ 5 Ob 75/20w, 03.06.2020
OGH: Nach stRsp ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB taugt. Hingegen ist weder zu prüfen, ob der Erlag rechtmäßig oder der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist. Ein den Erlag rechtfertigender Tatbestand muss behauptet werden; vom Erlagsantrag ist zu fordern, dass Zweifel über den vom Erleger anzugebenden Erlagszweck möglichst ausgeschlossen werden können. Dem Erlagsgericht obliegt nur eine Schlüssigkeitsprüfung des Vorbringens des Erlegers zu den Hinterlegungsvoraussetzungen, insbesondere zu Hinterlegungsgrund und -zweck. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
Der Erlag durch den Schuldner nach § 1425 ABGB setzt voraus, dass die Schuld nicht bezahlt werden kann, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder sie aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund meint Fälle, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird. Dieser Hinterlegungsgrund knüpft daran an, dass der Gläubiger die angebotene Leistung – etwa hinsichtlich ihres Ausmaßes oder ihres rechtlichen Charakters – anders qualifiziert als der Schuldner. Im Fall der endgültigen Annahmeverweigerung durch den Gläubiger ist auch im zweipersonalen Verhältnis die Hinterlegung wegen „Unzufriedenheit“ zulässig, darunter ist auch der Annahmeverzug zu subsumieren. Unklarheit der Rechtslage wiederum kann zwar einen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB bilden. Besteht aber die unklare Sach- und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann. Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt daher noch kein Recht zur Hinterlegung.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dem Erleger sei es nicht gelungen, schlüssig einen Erlagsgrund zu behaupten, ist vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht korrekturbedürftig. Nach dem Vorbringen im Erlagsantrag kommt dem Antragsteller bei der Sammlung von Spenden die Rolle des uneigennützigen Treuhänders zu, dem zahlreiche individuelle Spender den Auftrag erteilt haben, ihre Spenden der Erlagsgegnerin unter Bedachtnahme darauf zukommen zu lassen, dass die Mittel ausschließlich für die Befriedigung von Grundlage ihrer Hilfsbedürftigkeit bildenden Bedürfnissen verwendet werden. Die Erlagsgegnerin habe es abgelehnt, eine mit Auflagen verbundene Schenkung anzunehmen, weil sie der Auffassung sei, ihr stehe ein unbedingter Anspruch auf Auszahlung zu. Abgesehen davon, dass sich aus diesem Vorbringen nicht zweifelsfrei ableiten lässt, warum die Minderjährige bereits Gläubigerin des Antragstellers sein sollte (hat sie doch einen Vertragsabschluss nach seinem Vorbringen abgelehnt), ist die Auffassung der Vorinstanzen, der Erlagsgrund der „Unzufriedenheit der Gläubigerin mit dem Angebotenen“ sei damit nicht ausreichend dargetan, im Einzelfall nicht zu beanstanden. Zutreffend verwies das Rekursgericht darauf, dass nach dem Vorbringen des Antragstellers die Minderjährige bereit ist, die Schenkung der Spenden anzunehmen, sie verweigert nur die Unterfertigung einer (Zusatz-)Vereinbarung, mit der sie sich zum Nachweis der Mittelverwendung verpflichten soll. Mit den zu 1 Ob 18/63; 7 Ob 540/92 entschiedenen Fällen, wo der Bestandgeber die Annahme eines Betrags als Bestandzins ablehnte, weil er der Meinung war, dass er zufolge der Auflösung des Bestandvertrags nur mehr Benützungsentgelt in derselben Höhe zu bekommen habe, ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Rechtsgrund der Zuwendungen an die Antragsgegnerin (Schenkung) ist unstrittig; Streit besteht nur darüber, ob eine Nachweispflicht betreffend Mittelverwendung besteht und eine entsprechende Vereinbarung zur Voraussetzung der Schenkung gemacht werden kann. Das ist aber nicht „Unzufriedenheit der Gläubigerin mit dem Angebotenen“, sondern die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und Rechtslage zwischen den Parteien, die nach gesicherter Rsp im Verhältnis zwischen einem Schuldner und einem einzelnen Gläubiger kein Recht zur Hinterlegung gewährt.
Die behauptete Abweichung von den Entscheidungen 6 Ob 87/11d und 10 Ob 95/05a ist nicht zu erkennen. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Erlagsantrag missachte er seinen Treuhandauftrag und verwendete die Spendengelder widmungswidrig, zahlte er sie an die Minderjährige aus, ohne ihre Bedürftigkeit zu überprüfen. Die – eine Frage des Einzelfalls bildende und daher keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfende – Auslegung dieses Vorbringens durch die Vorinstanzen, damit bestreite er seine (unbedingte) Zahlungspflicht, ist nicht zu beanstanden. Eine Unklarheit der Rechtslage im Hinblick auf mehrere Forderungsprätendenten (etwa die Spender) brachte der Erleger nicht vor.