OGH: Weiterbeschäftigung im Rahmen der Überlassung über einen anderen Überlasser – Zahlung eines „Rekrutiierungsaufwands“ an ursprünglichen Überlasser?
Die Beurteilung, dass die Vereinbarung im Anlassfall geeignet ist, die volle Beweglichkeit der überlassenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt zu erschweren, und zwar den Wechsel in ein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Überlasser, hält sich im Rahmen der Rsp; müsste die Beklagte infolge (Wieder-)Beschäftigung der zu einem Drittüberlasser gewechselten Arbeitskräfte einen „Rekrutierungsaufwand“ zahlen, liegt nahe, dass sie vom neuen Überlasser andere und gerade nicht die vormaligen Arbeitskräfte der Klägerin anfordern würde; dadurch wäre wiederum die Wahrscheinlichkeit eingeschränkt, dass ein Arbeitnehmer der Klägerin überhaupt ein Arbeitsverhältnis zum neuen Überlasser begründen kann, wie es im Übrigen auch der Fall wäre, wenn letztlich dieser (etwa aufgrund einer Vereinbarung mit dem Beschäftiger) den Aufwand zu tragen hätte
§ 11 AÜG
GZ 8 Ob 41/20t, 29.06.2020
Die Klägerin hat der Beklagten Arbeitskräfte überlassen. Vertragsinhalt war ua folgende Klausel:
„Sofern nichts anderes vereinbart wurde, beträgt die Mindestüberlassungsdauer 6 Monate. Wird die überlassene Arbeitskraft während dieser Mindestüberlassungsdauer in ein Vertragsverhältnis mit dem Beschäftiger übernommen, kann R***** [die Klägerin] für den entstandenen Rekrutierungsaufwand einen angemessenen Aufwandersatz in der Höhe von 2 Bruttomonatslöhnen bei Arbeitern bzw 18 % des Bruttojahresgehalts bei Angestellten in Rechnung stellen. Dem gleichgestellt ist die Beschäftigung einer überlassenen Arbeitskraft im Betrieb des Beschäftigers über einen anderen Arbeitskräfteüberlasser bzw Personalbereitsteller.“
Da die Beklagte mit den Betreuungsleistungen der Klägerin unzufrieden war, teilte sie innerhalb der Mindestüberlassungsdauer den von der Klägerin überlassenen Arbeitskräften mit, das Geschäftsverhältnis beenden und die Arbeitskräfte der Klägerin zurückstellen zu wollen; eine Weiterbeschäftigung sei aber im Rahmen einer Überlassung über einen Dritten möglich. Daraufhin kündigten sieben Arbeitskräfte ihr Dienstverhältnis zur Klägerin und begründeten ein neues Dienstverhältnis zu einem anderen Überlasser, der sie wiederum der Beklagten überließ.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zahlung des „Rekrutierungsaufwands“ übereinstimmend ab.
OGH: Nach § 11 Abs 1 AÜG darf der Überlasser eine Arbeitskraft an einen Dritten nur nach Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung überlassen, die unabhängig von der einzelnen Überlassung bestimmte Bedingungen zwingend festzulegen hat. Nach § 11 Abs 2 Z 6 AÜG sind Bedingungen verboten, welche die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser, insbesondere durch Konventionalstrafen, Reugelder oder Einstellungsverbote, in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken. Nach § 8 Abs 2 AÜG sind Vereinbarungen zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger verboten, die der Umgehung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft dienen.
Bereits in seiner ersten einschlägigen Entscheidung 1 Ob 225/08g hat der OGH unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass von dem Verbot insbesondere Vereinbarungen erfasst werden sollen, welche der überlassenen Arbeitskraft den Abschluss eines Arbeitsvertrags für die Zeit nach der Beendigung der Überlassung erschweren oder unmöglich machen. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Aussichten eines Arbeitnehmers, ein Dienstverhältnis zu einem neuen Arbeitgeber zu begründen, erheblich ungünstiger seien, wenn die Begründung eines solchen Arbeitsverhältnisses für den potentiellen neuen Arbeitgeber mit der Verpflichtung zur Leistung einer (dort gegenständlichen) Konventionalstrafe verbunden wäre.
An dieser Rsp hat der OGH in der Folgeentscheidung 9 Ob 19/12b iZm einer „Vermittlungsprovision“ festgehalten: Ziel der Regelung des § 11 Abs 2 Z 6 AÜG sei es, die volle Beweglichkeit der überlassenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt sicherzustellen. Um die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nicht in bedenklicher Weise einzuschränken, seien daher Vereinbarungen verboten, die die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser durch zu leistende Zahlungen wie etwa Konventionalstrafen oder Reugelder in ihrer Erwerbstätigkeit beschränkten. Wenn beispielsweise eine Vereinbarung zwischen Überlasser und Beschäftiger Regelungen vorsehe, die einem Arbeitnehmer die Selbstkündigung und den anschließenden Beginn eines Arbeitsverhältnisses zum Beschäftiger erschwerten, so solle damit offensichtlich die Bestimmung des § 11 Abs 2 Z 6 AÜG umgangen werden, die Beschränkungen der Erwerbstätigkeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zum Überlasser untersage. Ebenso wie die zu 1 Ob 225/08g zu beurteilende Klausel führe eine Bestimmung in den Geschäftsbedingungen des Überlassers, die ein Entgelt für die Übernahme der Arbeitskraft durch den Beschäftiger vorsehe, – indirekt – dazu, dass es der ursprünglich überlassenen Arbeitskraft schwerer falle als sonstigen Arbeitsuchenden, einen Arbeitsplatz beim früheren Beschäftiger zu finden. Auf die Bezeichnung der Zahlung (zB Konventionalstrafe, Reugeld, Ablöse, Provision, Entgelt für Weiterbeschäftigung etc), die der Überlasser vom Beschäftiger fordere, komme es nicht an.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die Vereinbarung im Anlassfall geeignet ist, die volle Beweglichkeit der überlassenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt zu erschweren, und zwar den Wechsel in ein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Überlasser, hält sich im Rahmen dieser Rsp. Müsste die Beklagte infolge (Wieder-)Beschäftigung der zu einem Drittüberlasser gewechselten Arbeitskräfte einen „Rekrutierungsaufwand“ zahlen, liegt – wie das Berufungsgericht ausgeführt hat – nahe, dass sie vom neuen Überlasser andere und gerade nicht die vormaligen Arbeitskräfte der Klägerin anfordern würde. Dadurch wäre wiederum die Wahrscheinlichkeit eingeschränkt, dass ein Arbeitnehmer der Klägerin überhaupt ein Arbeitsverhältnis zum neuen Überlasser begründen kann, wie es im Übrigen auch der Fall wäre, wenn letztlich dieser (etwa aufgrund einer Vereinbarung mit dem Beschäftiger) den Aufwand zu tragen hätte.
Entgegen der Meinung der Klägerin macht es keinen entscheidenden Unterschied, dass hier – anders als in den Vorentscheidungen – (noch) kein Arbeitsverhältnis zum Beschäftiger selbst, sondern zu einem anderen Überlasser begründet wurde. Der Aufwandersatzanspruch schmälert die Aussicht des Arbeitnehmers, über einen Dritten weiterhin im Beschäftigerbetrieb tätig zu sein, woran der Arbeitnehmer aber – wie sogar die Klägerin einräumt – unabhängig von einem Arbeitsvertrag mit dem Beschäftiger interessiert sein mag. Zugleich wird damit auch seine Chance vereitelt, sich im Beschäftigerbetrieb weiter zu bewähren, um dort doch noch auf Dauer beschäftigt zu werden. Von einem „Herumschupfen“ des Arbeitnehmers kann keine Rede sein, wenn ihm als Alternative die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zum alten Überlasser (und der Einsatz bei einem neuen Beschäftiger) ohnehin frei steht.