01.09.2020 Zivilrecht

OGH: Verbücherung eines Bestandrechts

Der Fachsenat hat mit Bezug auf Bestandverhältnisse bereits wiederholt ausgesprochen, dass dann, wenn eine Nachtragsurkunde Bezug auf die Urkunde über das Titelgeschäft nimmt, auch die Urkunde über das Titelgeschäft (Mietvertrag) als Grundbuchsurkunde in einer Form vorgelegt werden muss, die eine Eintragung zulässt; aus dem Verbot der Einverleibung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit folgt, dass sich aus der vorzulegenden Vertragsurkunde auch die vereinbarte Bestanddauer oder die entsprechenden Modifikationen des ordentlichen Kündigungsrechts ergeben müssen; es reicht dabei aus, dass der Inhalt eines verbücherbaren Vertrags insoweit für einen Bestandnehmer vorteilhaft ist, dass das Vertragsverhältnis ohne seine Zustimmung erst nach der bedungenen Zeit erlischt; dafür genügt, dass der Bestandgeber für sich und seine Rechtsnachfolger auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sonst bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags herangezogen werden könnten; das ist aber allein bei einem Verzicht auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen, die schon durch die Einverleibung des Bestandrechts in das Grundbuch beseitigt werden, nicht der Fall


Schlagworte: Grundbuchsrecht, Bestandrecht, Einverleibung, auf unbestimmte Zeit, Verzicht auf Geltendmachung von Kündigungsgründen, Urkunden, Nachtragsurkunde
Gesetze:

 

§ 9 GBG, § 1095 ABGB, §§ 26 ff GBG, § 87 GBG, § 94 GBG, § 1120 ABGB

 

GZ 5 Ob 59/20t, 04.05.2020

 

OGH: Im Grundbuch kann nach § 9 GBG ua das Bestandrecht (§ 1095 ABGB) eingetragen werden. Voraussetzung für die Verbücherung eines Bestandrechts ist nicht nur die Zustimmung (also die Aufsandungserklärung) des Bestandgebers und Eigentümers, sondern auch, dass in der (die Eintragungsgrundlage bildenden) Vertragsurkunde die wesentlichen Vertragspunkte festgelegt sind.

 

Die Prüfung eines Gesuchs auf Eintragung eines Bestandvertrags erfolgt nach den Erfordernissen der §§ 26 ff GBG, das insbesondere auch § 32 GBG genügen muss. § 26 Abs 2 GBG erfordert ua für den Erwerb eines Rechts, dass die Urkunde einen gültigen Rechtsgrund enthält.

 

Nach § 87 Abs 1 GBG sind Urkunden, aufgrund deren eine Eintragung erfolgen soll, im Original beizulegen. Diese Voraussetzung bezieht sich auf Grundbuchsurkunden, die in materieller und formeller Hinsicht die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung enthalten. Ergeben sich die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung aus mehreren Urkunden zusammen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, aufgrund deren iSd § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll.

 

Der Fachsenat hat daher mit Bezug auf Bestandverhältnisse bereits wiederholt ausgesprochen, dass dann, wenn eine Nachtragsurkunde Bezug auf die Urkunde über das Titelgeschäft nimmt, auch die Urkunde über das Titelgeschäft (Mietvertrag) als Grundbuchsurkunde in einer Form vorgelegt werden muss, die eine Eintragung zulässt.

 

Die vom Antragsteller seinem Begehren zugrunde gelegte Vereinbarung vom 10. 4. 2019 enthält zwar die für eine Einverleibung eines Bestandrechts notwendige Aufsandungserklärung, bestätigt aber lediglich den Umstand, dass die Vermieter Eigentümer der Liegenschaft sind und der Antragsteller Mieter einer näher bezeichneten Wohnung ist. Sie nennt Bestimmungen, die offensichtlich ab 1. 1. 2018 abweichend von der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung gelten sollen, wie die Höhe des Bestandzinses und eine Vertragsdauer von unbestimmter Zeit sowie die Vereinbarung, dass das ordentliche Kündigungsrecht des Liegenschaftserwerbers gem § 1120 ABGB für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses nicht gelten soll.

 

Ihrem Wortlaut nach legt die vorgelegte Urkunde gerade nicht den Rechtsgrund für die begehrte Eintragung fest, soll doch damit das Mietverhältnis nicht erst begründet werden. Von einem solchen Verständnis geht auch der Revisionsrekurswerber nicht aus, wenn er darauf verweist, dass er die Vereinbarung vom 10. 4. 2019 als „Bestätigungsurkunde“ verstanden wissen will. Eine Willens- und Wissenserklärung über den ursprünglichen Vertragsinhalt kann dieser Urkunde mit der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Deutlichkeit aber nicht entnommen werden. Zutreffend hat daher bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung zwar die Vermieter- und Mieterpositionen wiedergibt, aber keine Bekräftigung des ursprünglich abgeschlossenen Vertrags iSd Entscheidung zu 5 Ob 110/06x enthält. Wie der Hinweis auf ab 1. 1. 2018 geltende Bedingungen deutlich macht, soll die vorgelegte Vereinbarung den eigentlichen Bestandvertrag offensichtlich abändern/ergänzen und bildet damit einen Nachtrag zu diesem. Es ist daher im Einzelfall nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht der dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunde iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG die Eignung zur Bewilligung der begehrten Eintragung absprach, zumal allein aus dieser die Vereinbarung einer zeitlichen Bindung in Form einer Kündigungsbeschränkung mit der für das Grundbuchsverfahren gebotenen Eindeutigkeit nicht erschlossen werden kann.

 

Aus dem Verbot der Einverleibung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit folgt nämlich, dass sich aus der vorzulegenden Vertragsurkunde auch die vereinbarte Bestanddauer oder die entsprechenden Modifikationen des ordentlichen Kündigungsrechts ergeben müssen. Es reicht dabei aus, dass der Inhalt eines verbücherbaren Vertrags insoweit für einen Bestandnehmer vorteilhaft ist, dass das Vertragsverhältnis ohne seine Zustimmung erst nach der bedungenen Zeit erlischt. Dafür genügt, dass der Bestandgeber für sich und seine Rechtsnachfolger auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sonst bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags herangezogen werden könnten. Das ist aber allein bei einem Verzicht auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen, die schon durch die Einverleibung des Bestandrechts in das Grundbuch beseitigt werden, nicht der Fall.