31.08.2020 Verfahrensrecht

VwGH: Zustellung durch Hinterlegung und Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Da das VwG dem Revisionswerber, der bereits in seinem Schreiben vom 2. Dezember 2019 behauptet hatte, dass er, als er wieder zuhause gewesen sei, „den Brief nicht mehr habe abholen können, weil dieser schon zurückgegangen sei“, zum Datum der Rückübermittlung kein Parteiengehör eingeräumt hat, der Revisionswerber in der Revision aber vorgebracht hat, es sei ihm am 19. August 2019 bei der versuchten Abholung mitgeteilt worden, dass das Dokument bereits retourniert worden sei, und er hiezu die Einvernahme des Schalterbediensteten beantragt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das VwG bei Einräumung des Parteiengehörs und damit bei Vermeidung des Verfahrensmangels zum Ergebnis gekommen wäre, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde


Schlagworte: Zustellung, Rechtzeitigkeit der Beschwerde, Hinterlegung, Zustellnachweis, Glaubhaftmachung einer Ortsabwesenheit
Gesetze:

 

§ 17 ZustG, § 22 ZustG, § 47 AVG, § 292 ZPO, §§ 37 AVG, § 39 AVG, § 45 AVG, § 17 VwGVG, § 27 VwGVG, § 38 VwGVG, § 7 VwGVG

 

GZ Ra 2020/17/0017, 24.06.2020

 

VwGH: Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gem § 47 AVG iVm § 292 Abs 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind.

 

Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage gem § 28 Abs 1 VwGVG, die, wenn Anhaltspunkte für die Verspätung vorliegen, von Amts wegen zu erfolgen hat. Das VwG hat dazu nach amtswegigen Erhebungen Tatsachen festzustellen. Dabei ist der Partei vom VwG auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung bereits im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde Gelegenheit zu geben, zu dabei hervorkommenden Tatsachen und Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen.

 

Das VwG hat dem Revisionswerber zwar mit Schreiben vom 20. November 2019 Gelegenheit geboten, zur Frage der Zustellung des Straferkenntnisses am 8. August 2019 und der verspäteten Beschwerdeerhebung Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Beweismittel zur Glaubhaftmachung einer Ortsabwesenheit vorzulegen, wobei es an ihn für den Fall der Geltendmachung der Ortsabwesenheit (lediglich) die Frage gestellt hat, ob er am 8. August 2019 von der Abgabestelle tagsüber oder über längere Zeit abwesend gewesen und wann er an die Abgabestelle zurückgekehrt sei. Das VwG ist in der Folge von einer Ortsabwesenheit des Revisionswerbers ausgegangen. Das mit 27. August 2019 angenommene Datum der Rückübermittlung des zuzustellenden Dokuments an die belBeh ist dem Revisionswerber jedoch nicht vorgehalten worden. Das VwG hat seine Begründung tragend auf dieses Datum gestützt, ohne dem Revisionswerber, der im Übrigen eine mündliche Verhandlung beantragt hatte, hiezu rechtliches Gehör zu gewähren. Das Datum der Rückübermittlung des Dokuments an die belBeh ist auf der in den vorgelegten Verfahrensakten enthaltenen Kopie des diesbezüglichen Rückscheines nicht vermerkt.

 

Da das VwG dem Revisionswerber, der bereits in seinem Schreiben vom 2. Dezember 2019 behauptet hatte, dass er, als er wieder zuhause gewesen sei, „den Brief nicht mehr habe abholen können, weil dieser schon zurückgegangen sei“, zum Datum der Rückübermittlung kein Parteiengehör eingeräumt hat, der Revisionswerber in der Revision aber vorgebracht hat, es sei ihm am 19. August 2019 bei der versuchten Abholung mitgeteilt worden, dass das Dokument bereits retourniert worden sei, und er hiezu die Einvernahme des Schalterbediensteten beantragt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das VwG bei Einräumung des Parteiengehörs und damit bei Vermeidung des Verfahrensmangels zum Ergebnis gekommen wäre, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde.