04.08.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Wirkung einer ausländischen Scheidung auf die Ehelichkeitsvermutung

Eine ausländische Scheidung vor der Geburt des Kindes, die erst nach der Geburt in Österreich anerkannt wurde, kann an der Ehelichkeit des Kindes nichts mehr ändern


Schlagworte: Familienrecht, internationales Zivilverfahrensrecht, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, Ehelichkeitsvermutung, Abstammungsvermutung, Vaterschaftsbestreitung
Gesetze:

 

§ 144 ABGB, §§ 150 f ABGB, § 97 AußStrG, 228a AußStrG aF, § 24 der 4. DVEheG aF

 

GZ 2 Ob 87/19m, 26.05.2020

 

OGH: Nach § 97 Abs 1 AußStrG wird in Österreich eine ausländische Entscheidung über die Ehescheidung anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt; die Anerkennung kann als Vorfrage selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Ausländische Entscheidungen werden somit seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 ipso iure anerkannt. Die befasste Behörde kann in jeder Lage des Verfahrens inzidenter über die Anerkennung selbst entscheiden.

 

Vor dem Inkrafttreten des AußStrG 2003 war eine ausländische Scheidung durch Mitwirkung einer Behörde nur bei Ausspruch der Anerkennung nach § 24 der 4. DVEheG aF oder nach § 228a AußStrG aF wirksam („konstitutive Anerkennung“. Da hier keine solche Anerkennung erfolgte, waren die Eltern für den österreichischen Rechtsbereich bei Geburt des Kindes verheiratet, woraus die (Vermutung der) Ehelichkeit folgt. Selbst eine nunmehrige nachträgliche Anerkennung der ausländischen Scheidung nach § 97 AußStrG (ipso iure durch das neue AußStrG) könnte daran nichts mehr ändern: Die einmal durch Geburt während aufrechter Ehe begründete Abstammungsvermutung kann nach österreichischem Recht nur durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 150 oder § 151 ABGB beseitigt werden. Selbst eine spätere Nichtigerklärung der Ehe (mit ex tunc Wirkung) würde nicht zum Wegfall der Vaterschaftsvermutung führen.

 

Für die Frage, ob ein Kind bei seiner Geburt ehelich war, kommt es darauf an, ob die Ehe zu diesem Zeitpunkt für den österreichischen Rechtsbereich aufrecht war. Eine ausländische Scheidung vor der Geburt, die erst nach der Geburt in Österreich anerkannt wurde, kann an der Ehelichkeit nichts mehr ändern.