04.08.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Dereliktion von Liegenschaften durch eine GmbH in Liquidation

Dass eine Dereliktion von Liegenschaften die Vollbeendigung der Kurandin zur Folge hat, spricht nicht gegen deren Genehmigung


Schlagworte: Eigentumsrecht, Liegenschaft, Aufgabe, Dereliktion, pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, GmbH in Liquidation, Vollbeendigung der Gesellschaft
Gesetze:

 

§ 223 ABGB, § 382 ABGB, §§ 386 f ABGB, § 10 GBG

 

GZ 3 Ob 47/20p, 06.05.2020

 

OGH: Eine Dereliktion von Liegenschaften iSd §§ 362 iVm 386, 387 ABGB ist nach hL und der Rsp möglich. Bei Bestehen einer Kuratel könnte sich der Kurator (als Vertreter des Kuranden) des Eigentums einer Liegenschaft mit Wirksamkeit für den Kuranden begeben. Nach § 223 ABGB darf ein unbewegliches Gut aber nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Kindes veräußert werden. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass auch bei einer GmbH iL die Genehmigungsfähigkeit einer Dereliktion nach diesen Maßstäben zu prüfen ist.

 

Bei der Vermögensverwaltung eines Kindes oder einer Verlassenschaft geht es primär darum, das unbewegliche Vermögen nach Möglichkeit zu erhalten, damit das Kind oder die Erben später (also nach Volljährigkeit bzw Antritt der Erbschaft) darüber verfügen können. Deshalb soll der (bis zur Volljährigkeit bzw zum Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens agierende) Vertreter einer zukünftigen Vermögenssituation nach Möglichkeit nicht vorgreifen. Das entspricht aber nicht der hier vom Rechtsmittel behaupteten (aber auf der Tatsachenebene noch nicht geklärten) Situation, dass der Kurator eine aufgrund eines Insolvenzverfahrens bereits aufgelöste, im FB gelöschte und vermögenslose GmbH iL vertritt. Deren Vollbeendigung tritt ein, wenn kein verwert- und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist bzw aufgrund der Vermögenslosigkeit kein Abwicklungsbedarf mehr gegeben ist. Die zur Vermögensverwaltung bei einem Kind oder einer Verlassenschaft entwickelten Grundsätze sind aber schon wegen der fehlenden Zukunftsperspektive bei einer solchen vermögenslosen GmbH iL nicht 1 : 1 zu übertragen, weshalb hier von einem weniger strengen Maßstab auszugehen ist.

 

Die Voraussetzungen des § 223 ABGB können bei einer vermögenslosen Kurandin auch mit Blick auf die bestehenden Verkehrssicherungspflichten erfüllt sein. Das kann insbesondere eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht als Liegenschaftseigentümerin oder auch Maßnahmen zur Vorbeugung einer Haftung nach § 1319a ABGB bzw § 93 StVO betreffen, wobei auch die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sein kann. Dass eine solche Dereliktion die Vollbeendigung der Kurandin zur Folge hat, spricht nicht gegen deren Genehmigung.