03.08.2020 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Fortgesetztes Delikt – einheitlicher Willensentschluss hinsichtlich zweier Alkoholfahrten innerhalb einer Stunde?

Der Beurteilung eines Deliktes als fortgesetzt begangen kann trotz eines engen zeitlichen Zusammenhanges ein "Ereignis" innerhalb dieses Zeitraumes entgegenstehen; als solches ist etwa eine Verkehrskontrolle und der darauf neu gefasste Tatentschluss zu sehen


Schlagworte: Fortgesetztes Delikt, einheitlicher Willensentschluss, zwei Alkoholfahrten, mehrere strafbare Handlungen
Gesetze:

 

§ 22 VStG

 

GZ Ra 2020/02/0099, 16.06.2020

 

VwGH: Für das Verwaltungsstrafverfahren gilt beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, nach § 22 Abs 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen.

 

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach stRsp des VwGH beim fortgesetzten Delikt bzw beim Dauerdelikt. Nach der Rsp des VwGH liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten.

 

Um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, vom sog Gesamtvorsatz getragen sein, dh der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise, erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den angestrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt im besonderen Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss getragen werden.

 

Sofern der Revisionswerber vorbringt, es habe ein einheitlicher Willensentschluss hinsichtlich beider Alkoholfahrten vorgelegen, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt, weshalb schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird. Im Übrigen ist es stRsp des VwGH, dass der Beurteilung eines Deliktes als fortgesetzt begangen trotz eines engen zeitlichen Zusammenhanges ein „Ereignis“ innerhalb dieses Zeitraumes entgegenstehen kann. Als solches ist etwa eine Verkehrskontrolle und der darauf neu gefasste Tatentschluss zu sehen. Von dieser Rsp ist das VwG nicht abgewichen.