OGH: Zum Mitverschulden des Fahrgastes beim Verlust von Gepäck (Fernbusfahrt)
Hat der Fahrgast sein Gepäck nicht gekennzeichnet und sich auch vor Ort beim Busfahrer nicht um ein Gepäckband bemüht, so begründet dies ein beachtliches und schwerwiegendes Mitverschulden von einem Drittel
§§ 30 ff Kfl-Bef Bed, §§ 1295 ff ABGB, § 1304 ABGB
GZ 7 Ob 184/19p, 24.04.2020
OGH: Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens iSd § 1304 ABGB setzt nicht die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraus, sondern nur die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern. Bei der Verschuldensabwägung entscheidet für das Gewicht des Verschuldens va die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr. Liegt beiderseitiges Verschulden vor, so bestimmt sich die Verschuldensteilung nach dem Gewicht des Verschuldens, gegebenenfalls der Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das Verschulden jeweils bewirkten Gefahr sowie der Bedeutung der verletzten Vorschriften.
Hier erhielt die Klägerin bei der Online-Buchung den Hinweis: „Namenskennzeichnung am Gepäck“. In den AGB weist die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass der Fahrgast sein Reisegepäck für eine korrekte Zuordnung und Rückgabe, insbesondere zur Vermeidung von Verwechslung, mit Namen und Anschrift zu kennzeichnen hat. Es handelt sich dabei um eine geradezu auf der Hand liegende und im Reiseverkehr tagtäglich geübte Praxis, um Reisegepäck vor Verwechslung zu schützen und erforderlichenfalls dessen Rückerlangung zu erleichtern. Die Beklagte stellt dazu im Rahmen der Online-Buchung Gepäckanhänger zum Ausdrucken zur Verfügung und eine solche Kennzeichnung ist auch durch eigene Kofferanhänger unschwer möglich.
Die Klägerin hat diese einfache Verhaltensregel ignoriert und sich auch vor Ort beim Busfahrer nicht um ein Gepäckband bemüht. Dieses Verhalten begründet ein beachtliches und schwerwiegendes Mitverschulden der Konsumentin, hat diese doch damit zur Gefahr einer Verwechslung ihres Koffers entscheidend beigetragen.
Der Busfahrer der Beklagten hat hingegen gegen die einschlägige Anordnung des § 34 Kfl-Bef Bed verstoßen und auch alle sonstigen naheliegenden Möglichkeiten außer Acht gelassen, um eine Verwechslung des Koffers der Klägerin auszuschließen, obwohl erkennbar war, das ihn diese selbst nicht gekennzeichnet hatte. Dies begründet grobe Fahrlässigkeit, sodass es auf die Frage der Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen für den Fall leichter Fahrlässigkeit nicht ankommt. Es erscheint daher eine Verschuldensteilung von 1:2 zu Lasten des die Abwicklung des Beförderungsvorgangs dominierenden beklagten Busunternehmens angemessen.