21.07.2020 Zivilrecht

OGH: § 76 StVO – Überqueren einer breiten Straße

Nach stRsp muss sich jeder Fußgänger beim Überqueren einer „breiten“ Fahrbahn bei Erreichen ihrer Mitte vergewissern, ob sich nicht von seiner rechten Seite ein Fahrzeug nähert; er muss stehen bleiben, wenn ein Fahrzeug schon so nahe ist, dass er die Fahrbahn nicht mehr vor diesem gefahrlos überschreiten kann; dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Fußgänger die rechte Seite vor Erreichen der Fahrbahnmitte wegen angehaltener Fahrzeuge nicht ausreichend einsehen kann; der Fußgänger darf aber selbst dann nicht so stehen bleiben, dass er einen wesentlichen Teil des noch für den von links kommenden Verkehr bestimmten Fahrbahnteils blockiert


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, Fußgänger, Überqueren einer breiten Straße
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 76 StVO

 

GZ 2 Ob 21/20g, 29.04.2020

 

OGH: Auch ohne Vorhandensein einer Einrichtung iSd § 76 Abs 6 Satz 1 StVO in einer Entfernung von mindestens 25 m dürfen Fußgänger nach § 76 Abs 4 lit b StVO die Fahrbahn erst dann betreten, wenn sie sich vergewissert haben, dass sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden. Jeder Fußgänger muss daher vor dem Überqueren der Fahrbahn sorgfältig prüfen, ob er die Fahrbahn noch vor dem Herankommen von Kraftfahrzeugen mit Sicherheit überschreiten kann. Lässt die Verkehrslage das Betreten der Fahrbahn zu, hat der Fußgänger diese sodann in angemessener Eile zu überqueren. Er hat den kürzesten Weg zu wählen und darauf zu achten, dass der Fahrzeugverkehr nicht behindert wird.

 

Nach stRsp muss sich jeder Fußgänger beim Überqueren einer „breiten“ Fahrbahn bei Erreichen ihrer Mitte vergewissern, ob sich nicht von seiner rechten Seite ein Fahrzeug nähert; er muss stehen bleiben, wenn ein Fahrzeug schon so nahe ist, dass er die Fahrbahn nicht mehr vor diesem gefahrlos überschreiten kann. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Fußgänger die rechte Seite vor Erreichen der Fahrbahnmitte wegen angehaltener Fahrzeuge nicht ausreichend einsehen kann. Der Fußgänger darf aber selbst dann nicht so stehen bleiben, dass er einen wesentlichen Teil des noch für den von links kommenden Verkehr bestimmten Fahrbahnteils blockiert.

 

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin in dem ihr nächstgelegenen Fahrstreifen eine angehaltene Kolonne vor sich, mit deren Anfahren sie jederzeit rechnen musste. Ob sie beim Betreten der Fahrbahn angesichts der Kolonne Sicht auf die Gegenfahrbahn der zu überquerenden Straße hatte, steht zwar nicht fest. Allerdings musste ihr klar sein, dass ein iSd zitierten Rsp rechtskonformes Stehenbleiben in der Fahrbahnmitte schon aufgrund des von ihr geschobenen Fahrrads nicht möglich sein würde. Unter diesen Umständen hätte sie die Fahrbahn der B17 nicht betreten dürfen.

 

Der Klägerin ist daher jedenfalls ein Verstoß gegen § 76 Abs 4 lit b StVO anzulasten, der bereits das von den Vorinstanzen angenommene Mitverschulden rechtfertigt.