30.06.2020 Zivilrecht

OGH: Antrag auf gesonderte Wohnungnahme gem § 92 Abs 2 ABGB

Die Aussage, dass eine Entscheidung über einen Antrag nach § 92 Abs 3 ABGB „nach einem möglichst raschen Verfahren und ohne unnötige Verfahrensverzögerungen durch überspannte Genauigkeitserfordernisse“ gefällt werden soll, ist dahin zu verstehen, dass auch im Verfahren über einen Antrag auf gesonderte Wohnungnahme das (in § 13 Abs 1 AußStrG ohnehin festgelegte) Prinzip einer möglichst kurzen Verfahrensdauer ebenso zu beachten ist, wie das Beweisaufnahmermessen des Gerichts; eine Interpretation dahin, dass das Gericht allein mit Hinweis auf eine gebotene raschere Beendigung des Beweisverfahrens von einzelnen Beweisanträgen Abstand nehmen dürfte, ohne dass die entsprechende strittige Tatfrage auf andere Weise bereits verlässlich geklärt wäre, verbietet sich aber


Schlagworte: Familienrecht, Außerstreitverfahren, gesonderte Wohnungnahme, Antrag, Beweisanträge
Gesetze:

 

§ 92 ABGB, § 13 AußStrG, § 16 AußStrG

 

GZ 3 Ob 211/19d, 26.02.2020

 

OGH: § 92 Abs 3 ABGB verweist das Verfahren über den vorliegenden Antrag in das Verfahren außer Streitsachen.

 

Gem § 13 Abs 1 AußStrG ist das Verfahren so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Ergänzt wird dies durch den in § 16 Abs 1 AußStrG angeordneten Untersuchungsgrundsatz und etwa auch durch § 31 Abs 2 AußStrG, aus dem ein Beweisaufnahmeermessen abgeleitet wird. Hinsichtlich des Umfangs der Beweisaufnahme ist der Richter daher nicht streng an die Anträge der Parteien gebunden; er kann darüber hinausgehen, aber auch nach seinem Ermessen im Interesse einer zügigen Verfahrensführung von der Aufnahme einzelner Beweismittel Abstand nehmen, wenn auch auf andere Weise eine (ausreichend) verlässliche Klärung möglich ist.

 

Der vom Revisionsrekurswerber in seiner Zulassungsbeschwerde genannte, zu § 92 Abs 3 ABGB gebildete Rechtssatz RS0009484 (zu dem sich seit 1991 keine Indizierungen mehr finden) stammt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des AußStrG 2003. Die Aussage, dass eine Entscheidung über einen Antrag nach § 92 Abs 3 ABGB „nach einem möglichst raschen Verfahren und ohne unnötige Verfahrensverzögerungen durch überspannte Genauigkeitserfordernisse“ gefällt werden soll, ist nach der dargestellten aktuellen Rechtslage dahin zu verstehen, dass auch im Verfahren über einen Antrag auf gesonderte Wohnungnahme das (in § 13 Abs 1 AußStrG ohnehin festgelegte) Prinzip einer möglichst kurzen Verfahrensdauer ebenso zu beachten ist, wie das Beweisaufnahmermessen des Gerichts. Eine – wie hier von den Vorinstanzen (und der Revisionsrekursgegnerin) erkennbar angenommene – Interpretation dieses Rechtssatzes dahin, dass das Gericht allein mit Hinweis auf eine gebotene raschere Beendigung des Beweisverfahrens von einzelnen Beweisanträgen Abstand nehmen dürfte, ohne dass die entsprechende strittige Tatfrage auf andere Weise bereits verlässlich geklärt wäre, verbietet sich aber. Denn ein solches Verständnis stünde im Widerspruch zu den dargestellten Verfahrensgrundsätzen des Außerstreitverfahrens (insbesondere zum Untersuchungsgrundsatz gem § 16 Abs 1 AußStrG).