OGH: Ersatz des Aufwands für die Beschäftigung von Leiharbeitern iZm Körperverletzung an Mitarbeitern (und dadurch verursachtem Krankenstand)?
Ist der Verletzte Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der sonst im Verdienstentgang liegende Schaden insoweit auf den Arbeitgeber überwälzt; die Rechtsansicht, dass der Schädiger dem Dienstgeber zwar den auf ihn überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen hat, nicht aber einen eigenen Schaden aus dem Ausfall der Arbeitskraft, steht im Einklang mit der Rsp des Höchstgerichts und entspricht auch der Lehre
§ 1325 ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 50/20i, 14.04.2020
OGH: Grundsätzlich kann nur der unmittelbar durch die rechtswidrige Handlung Geschädigte Ersatz verlangen, nicht aber der bloß mittelbar geschädigte Dritte. Ob jemand als unmittelbar Geschädigter anzusehen ist, richtet sich danach, ob die Norm, die der Schädiger verletzt hat, (zumindest auch) den Schutz der Interessen des Beschädigten bezweckt.
Anderes gilt dann, wenn beim unmittelbar Geschädigten nur deshalb ein bestimmter Vermögensnachteil nicht eintritt, weil ein Dritter aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen zum Geschädigten das wirtschaftliche Risiko zu tragen hat. Die Drittschadensliquidation erfasst (nur) jenen Schaden, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall aber durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird. Einer der Anwendungsfälle dieser Drittschadensliquidation ist die Lohnfortzahlung. Ist der Verletzte Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der sonst im Verdienstentgang liegende Schaden insoweit auf den Arbeitgeber überwälzt.
Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze auf die Haftung nach § 1325 ABGB zutreffend angewendet. Seine Ansicht, dass der Schädiger dem Dienstgeber zwar den auf ihn überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen hat, nicht aber einen eigenen Schaden aus dem Ausfall der Arbeitskraft, steht im Einklang mit der Rsp des Höchstgerichts und entspricht auch der Lehre. Weder die Ausführungen der Revisionswerberin zum Schutzzweck der (von ihr gar nicht bezeichneten) Norm, noch ihr Bemühen mit Hinweisen auf Entscheidungen des Höchstgerichts zum Ersatz von Lohnfortzahlungskosten die Ersatzfähigkeit von Kosten der von ihr in Anspruch genommenen Leiharbeiter zu begründen, geben Anlass, davon abzugehen. Warum der vorliegende Fall anders zu beurteilen sein soll, weil die Klägerin als Dienstleisterin für die Sicherheit auf einem Bahnhof zu sorgen und damit, wie sie meint, gemeinwichtige Aufgaben zu erfüllen hat, ist nicht nachvollziehbar und schon gar nicht im Auslegungsweg aus § 1325 ABGB zu gewinnen. Die Klägerin übersieht offenbar auch, dass nach den Feststellungen eine Tätigkeit der beiden Verletzten als Sicherheitspersonal gar nicht erkennbar war, weil sie zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung in Privatkleidung unterwegs waren und ihren Dienst erst antreten wollten. Ebensowenig kann die Klägerin mit ihrem Hinweis, das Höchstgericht habe sich in den von ihr angesprochenen Entscheidungen mit den Kosten der Ersatzkraft „für einen durch das Verbrechen der schweren Körperverletzung geschädigten Unternehmer, der Leistungen im öffentlichen Interesse erbringt“, nicht auseinanderzusetzen gehabt, eine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzeigen, zumal hier der Ersatz von Schäden eines vorsätzlich am Körper verletzten Unternehmers nicht zu beurteilen ist.
Bei der von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf Ersatz der Kosten für die Leiharbeiter zitierten Rsp zur sittenwidrigen Schädigung geht es um die Ersatzfähigkeit bloßer Vermögensschäden des unmittelbar Geschädigten. Für ihren Standpunkt kann daraus ebenso wenig gewonnen werden, wie aus ihrer Argumentation, die an ihren Mitarbeitern begangene Vorsatztat stelle einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und damit eine in Geld messbare Beeinträchtigung der gesicherten Rechtsposition eines Unternehmens dar. Welche gesicherte Rechtsposition damit konkret beeinträchtigt worden sein soll, versucht sie gar nicht zu erklären. Die von ihr zitierte Jud zu § 1325 ABGB in RS0030621 hat die Vernichtung der Arbeitskraft des unmittelbar Verletzten und dessen Ansprüche zum Gegenstand; was daraus für ihren Standpunkt zu gewinnen sein soll, ist nicht erkennbar. Ansprüche der vom Angriff des Beklagten Betroffenen sind hier nämlich nicht zu beurteilen, sodass auch der Hinweis der Klägerin, bei der „Verletzung von Mitarbeitern eines Unternehmens [soll dies] – in gleichheitswidriger und sachlich nicht zu rechtfertigender Art und Weise – nicht gelten“, schlicht unverständlich ist. Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Ziel der Angriffe des Beklagten allein die beiden verletzten Personen waren; von einem sittenwidrigen Angriff auf das Vermögen der Klägerin iSd § 1295 Abs 2 ABGB kann keine Rede sein.
Beruht – wie nach den Festellungen im vorliegenden Fall – die Vermutung einer „posttraumatischen Belastungsstörung“ auf den Angaben des Mitarbeiters der Klägerin gegenüber seinem Arzt, und folgten die Tatsacheninstanzen nicht dem als Zeugen vernommenen Arzt, sondern dem Ergebnis eines gerichtlichen Gutachtens, wonach die vorfallskausale Dauer des Krankenstands dieses Mitarbeiters (nur) drei Monate beträgt, kommt eine Nachprüfung durch den OGH grundsätzlich nicht in Betracht, weil es sich um eine Tatfrage handelt. Die Anfechtung aufgrund von Sachverständigenfeststellungen mit Revision ist nur möglich, wenn im Gutachten ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist, nicht aber wenn das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode bekämpft wird. Die Revisionswerberin vermag weder einen solchen Verstoß gegen zwingende Denkgesetze aufzuzeigen, noch darzulegen, welche anderen konkreten Feststellungen sich zwingend ergeben hätten.