OGH: Zu überdurchschnittlich hohen Betreuungskosten des Unterhaltsberechtigten
Bei einem überdurchschnittlichen Betreuungsbedarfs ist der Elternteil, in dessen Haushalt der Unterhaltsberechtigte lebt, nicht verpflichtet, in einem derart hohen Ausmaß Betreuungsleistungen zu erbringen, dass für den geldunterhaltspflichtigen anderen Elternteil aus dem Betreuungsmehrbedarf gar keine oder nur geringe finanzielle Aufwendungen erwachsen
§ 231 ABGB, § 137 ABGB
GZ 6 Ob 6/20f, 20.02.2020
OGH: Bei den Kosten der Betreuung durch Dritte unterscheidet die Rsp grundsätzlich danach, ob diese allein oder überwiegend der Entlastung des betreuenden Haushaltsführers dient, oder ob sie allein oder überwiegend im Kindesinteresse liegt. Der Elternteil, in dessen Haushalt der Unterhaltsberechtigte lebt, erbringt gem § 231 Abs 2 Satz 1 ABGB seinen Beitrag zum Unterhalt durch die Betreuungsleistung. Daher hat er die Kosten, die durch die teilweise Übertragung dieser Betreuung an Dritte auflaufen, regelmäßig dann zu tragen, wenn die Übertragung der Betreuung nur in seinem Interesse gelegen ist. Dies kann etwa bei Inanspruchnahme einer Tagesmutter, Krabbelstube oder eines Kindergartens der Fall sein. Hingegen liegt eine außerhäusliche Betreuung - nichts anderes kann für die Heranziehung dritter Pflegekräfte gelten - allein oder überwiegend im Kindesinteresse, wenn sie durch berücksichtigungswürdige Gründe in der Person des Kindes notwendig gemacht wird, wie dies etwa bei besonderer Pflegebedürftigkeit behinderter oder kranker Kinder der Fall ist. Für derartige Fälle hat grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil die Kosten zu tragen, oder es ist ein billiger Ausgleich der Geldkosten zwischen den Eltern geboten, wie zB bei behinderten Kindern.
Bei der gebotenen Abwägungsentscheidung ist zu beachten, dass die Grundregel des § 231 ABGB, die einen anteilsmäßigen Beitrag beider Elternteile vorsieht, den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, nicht dazu verpflichtet, im Fall eines überdurchschnittlichen Betreuungsbedarfs in einem derart hohen Ausmaß Betreuungsleistungen zu erbringen, dass für den geldunterhaltspflichtigen anderen Elternteil aus dem Betreuungsmehrbedarf gar keine oder nur geringe finanzielle Aufwendungen erwachsen. Auch die aus dem Eltern-Kind-Verhältnis entspringende, gleichermaßen gegenüber volljährigen Kindern geltende Beistandspflicht gem § 137 Abs 2 ABGB ist einerseits durch die Zumutbarkeit für den Einzelnen und andererseits durch die gesellschaftliche Üblichkeit der Leistung begrenzt. Eine generelle Verpflichtung des haushaltsführenden Elternteils zur Erbringung weit überdurchschnittlicher Betreuungsleistungen zwecks Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher nicht angenommen werden. Deshalb kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Kosten für die Tag- und Nachtbetreuung des schwer behinderten erwachsenen Kindes jedenfalls von der Mutter zu tragen sind. Im fortgesetzten Verfahren werden daher Feststellungen zum behinderungsbedingten Betreuungsaufwand und der damit verbundenen Kostenbelastung zu treffen sein.