22.06.2020 Sozialrecht

VwGH: Zur Frage, ob ein alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer einer GmbH (hier: keine Ein-Personen-Gesellschaft) mit sich selbst eine Bildungsteilzeit wirksam vereinbaren kann

Der Abschlusswille muss derart geäußert werden, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann; es ist daher ein entsprechender Manifestationsakt erforderlich, der insbesondere in einer Protokollierung oder anderweitigen schriftlichen Beurkundung bestehen kann; ein In-sich-Geschäft ist jedenfalls auch dann rechtswirksam, wenn die vertretene Gesellschaft dem Geschäft vorher zugestimmt oder es nachträglich - allenfalls auch stillschweigend - genehmigt hat


Schlagworte: Bildungsteilzeitgeld, alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer einer GmbH, In-sich-Geschäfte
Gesetze:

 

§ 26a AlVG, § 11a AVRAG, § 25 GmbHG, § 18 GmbHG

 

GZ Ro 2016/08/0010, 14.04.2020

 

VwGH: Gem § 25 Abs 4 GmbHG haftet ein Geschäftsführer der GmbH für den Schaden aus einem Rechtsgeschäft, das er mit ihr im eigenen oder fremden Namen abgeschlossen hat, ohne vorher die Zustimmung des Aufsichtsrats oder - sofern ein solcher nicht besteht - aller übrigen Geschäftsführer erwirkt zu haben.

 

Wie der OGH - auch mit Blick auf die soeben genannte Bestimmung - in stRsp vertritt, sind In-sich-Geschäfte, die ein Geschäftsführer entweder im eigenen und im fremden Namen zwischen sich selbst und der GmbH (Selbstkontrahieren) oder als Doppel- bzw Mehrfachvertreter der GmbH und eines Dritten bzw mehrerer Dritter abschließt (Doppel- oder Mehrfachvertretung), grundsätzlich unzulässig und unwirksam. Anderes gilt für Ein-Personen-Gesellschaften (siehe dazu § 18 Abs 5 und 6 GmbHG), auf die hier jedoch - da eine solche Konstellation nicht vorliegt - nicht weiter einzugehen ist.

 

In-sich-Geschäfte sind (ausnahmsweise) dann zulässig und wirksam, wenn keine Interessenkollision droht und zusätzlich der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann.

 

Eine Interessenkollision ist nicht erst dann anzunehmen, wenn durch das In-sich-Geschäft die Interessen des Vertretenen tatsächlich verletzt wurden, vielmehr reicht es aus, dass eine Verletzung auch nur wahrscheinlich ist. Es genügt die Gefahr, dass die Interessen durch das Eigeninteresse des Selbstkontrahierenden verkürzt werden könnten. Droht eine solche Interessenkollision, so handelt der Machthaber bei Selbstkontrahieren bzw Doppelvertretung ohne Vertretungsmacht.

 

Wie schon gesagt, muss zusätzlich der Abschlusswille derart geäußert werden, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann. Es ist daher ein entsprechender Manifestationsakt erforderlich, der insbesondere in einer Protokollierung oder anderweitigen schriftlichen Beurkundung bestehen kann.

 

Ein In-sich-Geschäft ist jedenfalls auch dann rechtswirksam, wenn die vertretene Gesellschaft dem Geschäft vorher zugestimmt oder es nachträglich - allenfalls auch stillschweigend - genehmigt hat.

 

Die Einwilligung seitens der GmbH gilt nach § 25 Abs 4 GmbHG als erteilt, wenn der Aufsichtsrat oder alle übrigen Geschäftsführer dem Geschäft zustimmen. Ist nur ein einziger Geschäftsführer bestellt und kein Aufsichtsrat vorhanden, so müssen die Gesellschafter selbst die Einwilligung erteilen. Die Einhaltung der für das Zustandekommen von Gesellschaftsbeschlüssen bestehenden Formvorschriften ist dabei nicht erforderlich. Dem betreffenden Vertreter kommt in einer Abstimmung kein Stimmrecht zu (§ 39 Abs 4 GmbHG).

 

Vorliegend ergibt sich - bei Anwendung der soeben dargelegten Grundsätze -, dass die Bildungsteilzeitvereinbarung des Revisionswerbers mit der GmbH (unstrittig) ein In-sich-Geschäft ist, wurde doch die Vereinbarung vom Revisionswerber als einzigem und alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer durch Selbstkontrahieren im eigenen und im fremden Namen zwischen sich selbst und der GmbH abgeschlossen.

 

Ein derartiges Geschäft ist nach der aufgezeigten Rsp grundsätzlich unzulässig und unwirksam, es sei denn, es wäre ausnahmsweise von seiner Wirksamkeit auszugehen.

 

Eine Ausnahme wäre - nach der oben dargestellten Jud - dann gegeben, wenn keine Interessenkollision drohte und wenn überdies die Erklärung des Abschlusswillens unzweifelhaft feststünde und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden könnte.

 

Gegenständlich ist zwar die zweitgenannte Voraussetzung erfüllt, zumal eine entsprechende Manifestation der getroffenen Bildungsteilzeitvereinbarung durch die schriftliche "Bescheinigung" vom 28. Juni 2013, die auch in die Verwaltungsakten Eingang gefunden hat, erfolgt ist. Damit steht der erklärte Abschlusswillen unzweifelhaft fest und kommt auch eine unkontrollierbare Zurücknahme nicht mehr in Betracht.

 

Was die erstgenannte Voraussetzung betrifft, so ist allerdings eine drohende Interessenkollision fallbezogen nicht von der Hand zu weisen, könnte doch die Bildungsteilzeitvereinbarung zu einer Verkürzung der Interessen der GmbH durch das Eigeninteresse des Revisionswerbers führen. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Bildungsteilzeit mit einer Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Revisionswerbers (von bisher 40 Stunden auf künftig 20 Stunden) verbunden sein soll. In der Halbierung der bisherigen Arbeitsleistung ist freilich - auch in Ermangelung sonstiger Beschäftigter, die den Leistungsausfall kompensieren könnten - jedenfalls eine drohende Gefährdung der Interessen der GmbH zu erblicken.

 

Ein In-sich-Geschäft wäre - iSd oben dargestellten Rsp - aber auch dann wirksam, wenn eine Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung durch die vom Revisionswerber vertretene GmbH erfolgt wäre.

 

Vorliegend käme eine solche Einwilligung - zumal kein Aufsichtsrat bestellt ist und der Revisionswerber einziger Geschäftsführer ist - nur durch die Gesellschafter selbst in Betracht. Da der Revisionswerber bei einer solchen Abstimmung kein Stimmrecht hätte, könnte eine Einwilligung ausschließlich durch die einzige Mitgesellschafterin (Tochter des Revisionswerbers) erfolgen.

 

Gegenständlich behauptete der Revisionswerber zwar in der Beschwerde, die Bildungsteilzeitvereinbarung sei als Ergänzung zum Geschäftsführervertrag von den Gesellschaftern der GmbH "bewilligt" bzw "genehmigt" worden. Er erstattete dazu jedoch kein näheres Vorbringen und legte auch keine bezughabenden Beweise vor. Das VwG führte (wie schon die belBeh) - obwohl von einer unstrittigen Tatsachenbehauptung keine Rede sein kann - keinerlei diesbezügliche Erhebungen durch und traf auch keinerlei diesbezügliche Feststellungen. Im Hinblick darauf kann jedoch - derzeit - nicht beurteilt werden, ob eine Einwilligung der Gesellschafter zur Bildungsteilzeitvereinbarung erfolgt ist oder nicht.

 

Das VwG wird daher im fortgesetzten Verfahren - nach allfälliger Ergänzung des Tatsachenvorbringens durch den Revisionswerber - die erforderlichen Beweisaufnahmen (naheliegend im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) durchzuführen und auf deren Grundlage die notwendigen Feststellungen zu treffen haben, ob iSd Vorgesagten eine Zustimmung bzw nachträgliche Genehmigung durch die Gesellschafter erfolgt ist. Erst im Anschluss daran wird beurteilt werden können, ob die Bildungsteilzeitvereinbarung als ein rechtswirksames In-sich-Geschäft zu erachten ist und als taugliche Grundlage für die Zuerkennung von Bildungsteilzeitgeld nach § 26a AlVG iVm § 11a AVRAG dienen kann.