OGH: Zum Rechtsmissbrauch (GesAusG)
Die Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit ist dann möglich, wenn die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt wurden
§§ 65 ff AktG, §§ 195 f AktG, § 1 GesAusG, § 1295 Abs 2 ABGB
GZ 6 Ob 56/20h, 23.04.2020
OGH: Der Gesetzgeber hat mit dem GesAusG bereits die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen. Der Gesellschafterausschlussbeschluss ist daher nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen, weil damit die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert würde; eine Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre vielmehr nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden. Die Beschlussanfechtung ist nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen, zB wenn der Hauptgesellschafter die vom Gesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich missachtet. Eine unzulässige Gestaltung darf nur angenommen werden, wenn die Voraussetzungen ausschließlich mit dem Ziel der Durchführung des Gesellschafterausschlusses hergestellt werden und bereits von vornherein klar ist, dass diese nach dem Beschluss über den Gesellschafterausschluss wieder rückgängig gemacht werden sollen. Erreicht der Hauptaktionär die Beteiligungsschwelle mit Hilfe des Rückerwerbs eigener Aktien, ist die daran anschließende Geltendmachung des Ausschlussrechts grundsätzlich zulässig. Eine unzulässige Vorgehensweise kann aber ausnahmsweise vorliegen, wenn der Hauptaktionär die von ihm beherrschte Gesellschaft veranlasst, eigene Aktien entgegen den gesetzlichen Vorschriften - insbesondere unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot - zu erwerben, um damit die Beteiligungsschwelle zu erreichen. Der Hauptgesellschafter, der unter Berufung auf das Vorliegen der auf unzulässige Weise erreichten - absolut betrachtet niedrigeren - Beteiligungshöhe den Gesellschafterausschluss betreibt, handelt rechtsmissbräuchlich. Der Ausschlussbeschluss kann in diesem Fall angefochten werden.
Allgemein liegt Rechtsmissbrauch dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, bzw wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht. Die Beweislast trifft dabei denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt.
Vorliegend erfolgte der Erwerb der eigenen Aktien primär mit dem Ziel, diese als Transaktionswährung bei Übernahmen einzusetzen. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage das Vorliegen von Rechtsmissbrauch verneint haben, dann ist dies nicht zu beanstanden. Ein sorgfaltswidriges Unterlassen des Verkaufs der eigenen Aktien könnte den Vorstand zwar möglicherweise schadenersatzpflichtig machen; nicht jedes sorgfaltswidrige Vorgehen ist aber zugleich schon rechtsmissbräuchlich.