15.06.2020 Verfahrensrecht

VwGH: Rechtsmissbrauch iZm mangelhafter Beschwerde

Allein der Hinweis des - bei Erhebung der Beschwerde - unvertretenen Revisionswerbers in seinem Beschwerdeschriftsatz, eine "ausführliche Beschwerde" nachzureichen, stellt keinen Rechtsmissbrauch dar


Schlagworte: Mangelhafte Beschwerde, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

 

§ 13 AVG, § 9 VwGVG, § 17 VwGVG

 

GZ Ra 2019/09/0111, 07.04.2020

 

VwGH: Mangelt es der Beschwerde an den in § 9 Abs 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernissen (hier: Beschwerdegründe und Beschwerdebegehren), sind diese Mängel nach der - gem § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen.

 

Nach der Rsp des VwGH dient § 13 Abs 3 AVG allerdings dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zB auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrags kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen. Dies gilt auch für die bewusste und rechtsmissbräuchliche Einbringung "leerer" Beschwerden nach dem VwGVG.

 

Um iSd Rsp ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen.

 

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Revisionswerber von sich aus und ohne dass vom VwG ein Verbesserungsverfahren eingeleitet worden wäre, mit dem zunächst (am 3. August 2018) per Telefax übermittelten und anschließend schriftlich nachgereichten Schriftsatz vom 3. August 2018 eine Beschwerdebegründung und Beschwerdeanträge nachreichte. Die gegenteiligen Ausführungen im Beschluss des VwG sind daher insoweit aktenwidrig.

 

Diese Verbesserung nahm das VwG überdies auch zum Anlass, mit Note vom 27. August 2018, den in der Schweiz wohnhaften und - nach dem Verwaltungsakt - die deutsche Staatsangehörigkeit aufweisenden Revisionswerber aufzufordern, weitere Beweismittel vorzulegen. Der - nach der Aktenlage - 1951 geborene Revisionswerber trat im Verfahren vor der Behörde und dem VwG ohne rechtsfreundliche Vertretung auf. Besondere juristische Kenntnisse oder Erfahrungen mit behördlichen Verfahren sind nicht evident und wurden auch nicht festgestellt. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung dieser Umstände stellte das VwG im angefochtenen Beschluss nicht nachvollziehbar dar, weshalb es (nachdem es die nachgereichten Beschwerdeausführungen seinem Verfahren zunächst zugrunde zu legen schien) letztlich vom Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs durch den Revisionswerber ausging. Allein der Hinweis in der Beschwerde auf ein Nachreichen einer Begründung lässt für sich jedenfalls noch nicht den Schluss auf Rechtsmissbrauch zu. Auch das dargestellte Vorgehen des VwG lässt darauf schließen, dass dieses offenbar - zumindest zunächst - nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen ausging. Anders lässt sich der gegenüber dem Revisionswerber ergangene Auftrag zur Vorlage von Beweismitteln - nach dessen aus eigenem Antrieb vorgenommener Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes - nicht erklären.

 

Das VwG hätte daher nicht ohne weiteres von einem wissentlich rechtsmissbräuchlichen Vorgehen des Revisionswerbers ausgehen dürfen. Das im angefochtenen Beschluss zitierte Erkenntnis des VwGH vom 6. Juli 2011, 2011/08/0062, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, lag diesem doch ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Indem das VwG dies verkannte, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.