09.06.2020 Zivilrecht

OGH: § 1168 ABGB – Unterbleiben der Ausführung; Pauschalpreisvereinbarung; Nachforderungsausschluss

Die Klägerin hat erst knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist ihren Anspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB geltend gemacht und dabei nicht die Pauschalpreise zugrundegelegt, sondern sich bereits selbst ersparte Kosten angerechnet; dass jedenfalls für eine solche Konstellation die Vereinbarung eines „schriftlichen Vorbehaltsverzichts“ mangels zusätzlichen Informations- und Sicherheitsgewinns für den Auftraggeber nicht gelten sollte, ist eine Auslegung, die mit der Jud und dem Zweck einer solchen Regelung vereinbar und daher nicht zu beanstanden ist


Schlagworte: Werkvertrag, Unterbleiben der Ausführung, Pauschalpreisvereinbarung, Nachforderungsausschluss
Gesetze:

 

§ 1168 ABGB

 

GZ 7 Ob 34/20f, 24.04.2020

 

OGH: Bei Unterbleiben des Werks iSd § 1168 Abs 1 ABGB nimmt die Rsp die Fälligkeit des Entgeltanspruchs im Allgemeinen an, sobald endgültig feststeht, dass das Werk nicht ausgeführt wird. Sofortiger Fälligkeitseintritt ist anzunehmen, wenn das endgültige Unterbleiben evident ist oder zumindest für den Besteller, insbesondere etwa bei Abbestellung des Werks, feststeht. Sonst ist aus Klarstellungsgründen eine Fälligstellung durch Einmahnung gem § 1417 ABGB erforderlich.

 

Schon das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass Haupt- und Zusatzaufträge jeweils zu Pauschalpreisen beauftragt worden waren. Dagegen wird in der Revision nichts vorgebracht. In solchen Fällen ist dem Besteller von vornherein bekannt, welchen Betrag er dem Unternehmer nach Vollendung des Werks schuldet, weshalb in diesen Fällen eine gesonderte Rechnungslegung im Allgemein nicht erforderlich ist.

 

Den Beklagten ist allerdings dahin beizupflichten, dass bestimmte vertragliche Vereinbarungen über die Rechnungslegung bei Pauschalpreisvereinbarungen bzw über die Fälligkeit im Fall des § 1168 Abs 1 ABGB grundsätzlich aufrecht bleiben. Dies gilt im letztgenannten Fall namentlich dann, wenn – was im vorliegenden Fall aber gerade nicht zutrifft – eine von der Vollendung des Werks unabhängige Fälligkeit vereinbart wurde.

 

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von den Beklagten für die behauptete mangelnde Fälligkeit in Anspruch genommenen vertraglichen Regelungen nicht für den Fall des § 1168 Abs 1 ABGB von den Parteien gedacht gewesen seien. Dabei handelt es sich um eine Frage der Vertragsauslegung, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt, wenn infolge Verkennung der Rechtslage ein durch die Auslegungsregel nicht mehr gedecktes Ergebnis erzielt wurde. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

 

Für die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen waren Pauschalpreise vereinbart. Grundlage des Anspruchs nach § 1168 Abs 1 ABGB ist das vereinbarte Entgelt in seiner Gesamtheit. Der Unternehmer muss nicht von sich aus eine Anrechnung vornehmen, sondern der Besteller hat zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss. Daraus folgt, dass der Klägerin grundsätzlich das vereinbarte Pauschalentgelt zustand und es deshalb auch keiner detaillierten Rechnung bedurfte, um dessen Fälligkeit herbeizuführen. Wenn die Klägerin mit ihrer Klage ohnehin nur einen Teil dieses Entgelts begehrte, kann ihr dies nicht zum Nachteil gereichen, sodass die vom Erstgericht angenommene Fälligkeit 45 Tage nach Klageeinbringung jedenfalls nicht zu beanstanden ist.

 

Der Nachforderungsausschluss dient, insbesondere bei Bauvorhaben mit hoher Auftragssumme, dazu, möglichst innerhalb kurzer Frist die Rechtslage eindeutig zu klären und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen, sodass der Auftraggeber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überblicken und erfahren können soll. Hier hat die Klägerin erst knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist ihren Anspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB geltend gemacht und dabei nicht die Pauschalpreise zugrundegelegt, sondern sich bereits selbst ersparte Kosten angerechnet. Dass jedenfalls für eine solche Konstellation die Vereinbarung eines „schriftlichen Vorbehaltsverzichts“ mangels zusätzlichen Informations- und Sicherheitsgewinns für den Auftraggeber nicht gelten sollte, ist eine Auslegung, die mit der dargestellten Jud und dem Zweck einer solchen Regelung vereinbar und daher nicht zu beanstanden ist.