19.05.2020 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Ausgleichszulage – zur Frage, ob eine Stiefmutter als Angehörige iSd Unionsbürger-RL bzw des NAG gilt

Die Klägerin gehört als Stiefmutter weder zu den begünstigten Familienangehörigen nach Art 2 Z 2 lit d der RL 2004/38/EG noch ist sie Verwandte iSd § 52 Abs 1 Z 3 NAG


Schlagworte: Pension, Ausgleichszulage, Stiefmutter
Gesetze:

 

§ 272 ASVG, Art 2 der RL 2004/38/EG, Art 7 der RL 2004/38/EG, § 52 NAG

 

GZ 10 ObS 169/19d, 21.01.2020

 

OGH: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff „Stiefmutter“ die Frau, die mit dem leiblichen Vater des Kindes verheiratet ist; sie ist keine Blutsverwandte und auch keine Verwandte, deren Verwandtschaftsverhältnis durch Adoption begründet wurde.

 

Als Stiefmutter gehört die Klägerin nach dem Wortlaut des Art 2 Z 2 lit d der Unionsbürger-RL nicht zu den begünstigten Familienangehörigen. Auch nach § 52 Abs 1 Z 3 NAG sind Verwandte in aufsteigender Linie (lediglich) Eltern oder Großeltern der EWR-Bürger oder ihrer Ehepartner oder eingetragenen Partner, nicht aber ein Stiefelternteil.

 

Die Ansicht des Berufungsgerichts, unter den Begriff „Verwandte in gerader aufsteigender Linie“ iSd § 52 Abs 1 Z 3 NAG seien auch Stiefeltern zu subsumieren, weil im NAG der Begriff der Verwandten in absteigender Linie (§ 52 Abs 1 Z 2 NAG) auch Stiefkinder umfasse („Verwandte des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ...“), ist vom Wortlaut des § 52 Abs 1 Z 3 NAG nicht gedeckt. Ein Analogieschluss kommt nicht in Betracht, weil für das Bestehen einer Gesetzeslücke iSe planwidrigen Unvollständigkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, entspricht nämlich der Kreis der begünstigten Angehörigen nach dem NAG den in der Unionsbürger-RL vorgesehenen Angehörigen und geht nicht darüber hinaus.

 

Zählt die Klägerin nicht zum begünstigten Personenkreis der Familienangehörigen, kann sie sich nicht auf einen rechtmäßigen Aufenthalt iSd Art 7 Z 1 lit d Unionsbürger-RL berufen. Ob ihr ihr Stiefsohn ab dem Jahr 2011 tatsächlich Unterhalt geleistet hat, ist nicht maßgeblich.

 

Da das von der Klägerin behauptete Daueraufenthaltsrecht auch nicht aus Art 7 Abs 1 lit d der RL 2004/38/EG (bzw § 52 Abs 1 Z 3 NAG) ableitbar ist, ist ihr Anspruch auf Ausgleichszulage zu verneinen.