19.05.2020 Zivilrecht

OGH: Privatkauf eines Gebrauchtwagens – zur Erstreckung eines vereinbarten Gewährleistungsverzichts auf die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Mängel

Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen; wird einem Käufer offen gelegt, dass bestimmte mögliche Negativeigenschaften des Kaufobjekts zu Tage treten könnten, dass er also diesbezüglich mit dem Abweichen von der ansonsten geschuldeten Qualität der Leistung rechnen muss, dann wird bei einer solchen Leistungsbeschreibung von vornherein nur die mindere Qualität Vertragsinhalt


Schlagworte: Gewährleistung, vereinbarter Verzicht, Gebrauchtfahrzeug, Verkehrssicherheit
Gesetze:

 

§§ 922 ff ABGB, § 929 ABGB

 

GZ 8 Ob 111/19k, 27.02.2020

 

OGH: Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen. Nach gesicherter Rsp erstreckt sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht grundsätzlich auch auf geheime und solche Mängel, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen, aber nicht auch auf arglistig verschwiegene Mängel und auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften.

 

Diese Grundsätze gelten auch bei Geschäften zwischen Nichtunternehmern.

 

Beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs müssen Mangelerscheinungen innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden, die dem Verschleiß und der Abnützung durch das Alter und die gefahrenen Kilometer entsprechen.

 

Im Allgemeinen gelten auch beim Gebrauchtwagenkauf die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit als zumindest schlüssig vereinbart.

 

Diese in der Rsp aufgestellte Vermutung bezieht sich allerdings auf gewerbliche Kraftfahrzeughändler, was für den Beklagten nicht gilt.

 

Im vorliegenden Fall kommt es vielmehr auf die Auslegung der konkreten Vereinbarung unter den festgestellten Umständen an. Ob eine Eigenschaft danach als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen.

 

Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen. Wird einem Käufer offen gelegt, dass bestimmte mögliche Negativeigenschaften des Kaufobjekts zu Tage treten könnten, dass er also diesbezüglich mit dem Abweichen von der ansonsten geschuldeten Qualität der Leistung rechnen muss, dann wird bei einer solchen Leistungsbeschreibung von vornherein nur die mindere Qualität Vertragsinhalt.

 

Die hier vom Beklagten nach den Feststellungen ausdrücklich zugesagte und geschuldete Leistung bestand in der Lieferung eines (unstrittig) 2007 erstzugelassenen Nutzfahrzeugs mit einem Kilometerstand von 304.000, einem kaputten Motorlager und einer defekten Servopumpe.

 

Allein bei diesen beiden genannten Defekten handelt es sich aber um schwere Mängel gemäß Prüfnummern 2.1.5. und 6.1.8. der Anlage 6 zu § 10 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) BGBl II 78/1998. Das Fahrzeug war daher schon aufgrund seines ausdrücklich vereinbarten Zustands zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht verkehrs- und betriebssicher (§ 10 Abs 3 PBStV).

 

Die lediglich auf Rechtssätze zum Gewährleistungsumfang gewerblicher Fahrzeughändler gestützte Prämisse des Berufungsgerichts, der Beklagte hätte die Eigenschaft der Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs schlüssig zugesagt, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung.

 

Der bei Übergabe des Fahrzeugs latent vorhandene und nach rund 3000 km Fahrt zutage getretene Getriebedefekt war nach den Feststellungen ein Mangel, mit dem bei Fahrzeugen dieses Alters und mit dieser Kilometerleistung zu rechnen ist. Es handelt sich dabei, so wie bei den übrigen nach dem Verkauf aufgetretenen Defekten, um eine Verschleißerscheinung, die mangels dem Beklagten vorwerfbarer Arglist und mangels gegenteiliger Zusage vom vereinbarten Gewährleistungsverzicht umfasst war.