OGH: Irreführende Geschäftspraktiken (Online-Ticketvermittlungsplattform)
Die Angabe, ob es sich um ein frei übertragbares oder personalisiertes Ticket handelt, und die Identität des Anbieters sind wesentliche Informationen iSd § 2 Abs 4 bis 6 UWG
§ 2 UWG, Art 7 RL-UGP
GZ 4 Ob 32/20i, 30.03.2020
OGH: Nach § 2 Abs 4 Z 1 UWG (Art 7 Abs 1 RL-UGP) gilt eine Geschäftspraktik dann irreführend, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 2 Abs 5 UWG (Art 7 Abs 5 RL-UGP) gelten jedenfalls die im EU-Recht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing als wesentliche Informationen. Nach § 2 Abs 6 UWG (Art 7 Abs 4 RL-UGP) müssen bei der Aufforderung an Verbraucher zum Kauf die in dieser Bestimmung aufgezählten Informationen erteilt werden, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Fehlt eine wesentliche Information iSd § 2 Abs 4 bis 6 UWG, so hat eine gesonderte Prüfung der Irreführungseignung (Wesentlichkeit) der unterbliebenen Information und der Spürbarkeit (Relevanz) zu entfallen.
Hier ist für den Kunden nicht zu erkennen, ob es sich bei dem angebotenen Ticket allenfalls um ein personalisiertes Ticket handelt. Ist dies der Fall, so ist die Karte für einen anderen Erwerber ungültig. In den AGB der Beklagten ist dazu vorgesehen, dass sich der Zahlungsdienstleister das Recht vorbehält, dem Käufer den vollen Kaufpreis zurückzuerstatten. Mit dem Kauf eines personalisierten Tickets ist aber die Gefahr verbunden, dass der Erwerber zur Veranstaltung anreist und ihm dann der Zugang zu dieser verwehrt wird. Daraus können dem Erwerber - neben dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises - auch Schadenersatzansprüche, etwa für Reisekosten, entstehen. Die in Betracht kommenden Ansprüche des Käufers sind nach den AGB der Beklagten nicht abgesichert. Die Angabe, ob es sich um ein frei übertragbares oder personalisiertes Ticket handelt, ist demnach ein wesentliches Merkmal des beworbenen Produkts iSd § 2 Abs 6 Z 1 UWG.
Für den Kunden ist auch nicht ersichtlich, von wem er das angebotene Ticket kauft. Gem § 2 Abs 6 Z 2 UWG (iVm Art 7 Abs 4 lit b RL-UGP) muss die Identität des Anbieters des beworbenen Produkts angegeben werden. Die Anbieter sind im Anlassfall die Verkäufer und nicht die vermittelnde Beklagte. Bei der Identität des jeweiligen Verkäufers (nach Maßgabe der Registrierung bei der Beklagten) handelt es sich somit ebenfalls um eine wesentliche Information. Wird das Ticket nicht oder zu spät geliefert, so können daraus ua Schadenersatzansprüche des Käufers gegen den Verkäufer resultieren. Will der Käufer solche Ansprüche durchsetzen, so benötigt er den Namen und die Adresse des Verkäufers. Außerdem kann der Sitz bzw Wohnsitz des Verkäufers die Durchsetzung von Ansprüchen erschweren, was wiederum ein wichtiges Kriterium für den Kartenerwerb sein kann.