12.05.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Bindung der Zivilgerichte an verwaltungsrechtliche Bescheide

Das Gericht ist an Verweigerung der Zustimmung der Aufsichtsbehörde zu einem von einer Gemeinde abgeschlossenen Zinsen-Collar-Vertrag gebunden


Schlagworte: Vertrag mit Gemeinde, Rechtswirksamkeit, Gemeindeordnung, Aufsichtsbehörde, Genehmigung, Versagung, Bescheid, Bindungswirkung, Zivilgericht, culpa in contrahendo
Gesetze:

 

§ 867 ABGB, § 90 stmk GemO, § 190 ZPO

 

GZ 10 Ob 14/19k, 18.02.2020

 

OGH: Bedarf ein Geschäft der Zustimmung der Aufsichtsbehörde, so ist es ohne diese Zustimmung schwebend unwirksam, außer die Mitwirkung dient nur internen Zwecken. Die Funktion eines Genehmigungsvorbehalts als Mittel der präventiven Kontrolle von Rechtshandlungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften ist nur dann gewährleistet, wenn die Wirksamkeit des zu kontrollierenden Rechtsakts von der Erteilung der Genehmigung abhängt. Andernfalls bliebe eine Verletzung des Genehmigungsvorbehalts ohne Folgen, weil die Mittel der repressiven Verwaltungskontrolle im Fall privatrechtlicher Verträge nicht wirksam eingreifen. Die in den Organisationsvorschriften juristischer Personen des öffentlichen Rechts enthaltenen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe sind auch im Außenverhältnis wirksam, sie schützen nicht zuletzt auch die Interessen der juristischen Person selbst. Eine solche Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 90 stmk GemO wurde im vorliegenden Fall vor Abschluss des gegenständlichen Zinsen-Collar-Vertrag nicht eingeholt.

 

Zivilgerichte sind dann an Entscheidungen der Verwaltungsbehörden gebunden, wenn diese über eine im Zivilverfahren zu prüfende Vorfrage als Hauptfrage entschieden haben. Die Bindungswirkung setzt die Rechtskraft des Bescheids der Verwaltungsbehörde voraus. Das Zivilgericht darf die inhaltliche Richtigkeit des Bescheids nicht überprüfen, sofern dieser nicht absolut nichtig ist. Die Zivilgerichte sind daher an den Spruch, nicht jedoch an die Begründung einer Verwaltungsentscheidung gebunden. Sie haben die zur Begründung zu lösenden Vorfragen autonom zu prüfen. Die Bindung setzt nicht voraus, dass alle Parteien des Zivilverfahrens im Verwaltungsverfahren Parteistellung hatten. Eine Drittwirkung ist nur dann anzunehmen, wenn ein Bescheid eine neue Rechtslage schafft (Gestaltungswirkung), oder wenn die Rechtsordnung sonst an die bloße Tatsache seiner Existenz Folgen knüpft (Tatbestandswirkung). Da hier die Aufsichtsbehörde dem Zinsen-Collar-Vertrag der Gemeinde die Genehmigung mit rechtskräftigem Bescheid versagte, ist dieser Vertrag nicht rechtswirksam abgeschlossen geworden.

 

Bei Unwirksamkeit eines Geschäfts wegen Fehlens besonderer Gültigkeitsvoraussetzungen nach § 867 ABGB besteht die Möglichkeit der Haftung des Rechtsträgers für culpa in contrahendo. Umstände, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen, sind dem anderen Vertragspartner mitzuteilen. Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften sind verpflichtet, den Partner durch ihre Verhandlungsführer über die Gültigkeitsvoraussetzungen des beabsichtigten Geschäfts aufzuklären, sofern diese ihrem Organ bekannt oder leichter erkennbar sind als dem Partner. Wird der Partner im guten Glauben gelassen, es bestehe keine Genehmigungsbedürftigkeit, haftet die öffentlich-rechtliche Körperschaft.