OGH: Novation, Schuldänderung, Vergleich
Auch ein Vergleich kann novierende Wirkung haben, für die es darauf ankommt, ob aufgrund der festgestellten Umstände davon auszugehen ist, dass bei objektiver Betrachtung nach dem übereinstimmenden Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs aufgrund strittiger Rechtspositionen von der Schaffung eines neuen Rechtsgrundes auszugehen ist
§§ 1376 ff ABGB, §§ 1380 ff ABGB, §§ 914 f ABGB
GZ 4 Ob 17/20h, 30.03.2020
OGH: Ein Neuerungsvertrag iSd §§ 1376 ff ABGB kommt zustande, wenn nach dem Willen der vertragschließenden Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird, in dem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen. Eine Änderung des Rechtsgrundes liegt vor, wenn der Entstehungsgrund des Anspruchs geändert wird; Hauptgegenstand ist der primäre Leistungsinhalt. Die bloße Vereinbarung einer Nebenbestimmung ohne Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes hat keine Novationswirkung, es liegt vielmehr eine bloße Schuldänderung iSd § 1379 ABGB vor, welche das ursprüngliche Schuldverhältnis mit ganz bestimmten Änderungen hinsichtlich des Inhalts der Verpflichtung fortbestehen lässt und nicht wie bei der Novation das ursprüngliche Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt. Die Novation setzt daher die Absicht der Parteien zur Tilgung der alten Verbindlichkeit voraus, die aber nicht ausdrücklich erklärt werden muss, sondern auch aus den Umständen hervorleuchten kann (§ 863 ABGB); im Zweifel wird diese Absicht allerdings nicht vermutet.
Ein Vergleich ist nach den §§ 914 f ABGB iSd Vertrauenstheorie zu verstehen und so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Demnach ist bei der Auslegung von Vereinbarungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern ausgehend vom Wortlaut die Absicht der Parteien zu erforschen. Darunter ist allerdings nicht irgendein unkontrollierbarer Parteiwille, sondern nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen. Ist ein (übereinstimmender) konkreter Parteiwille nicht zu ermitteln, kommt der objektiven Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung entscheidende Bedeutung zu. Der Vertrag ist daher unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs aufgrund der Erklärungen in dem Sinn, den sie nach der Sachlage notwendigerweise für den Partner haben musste, und damit so auszulegen, wie er bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war. Ferner ist auch das dem Abschluss vorangehende oder nachfolgende Verhalten der Vertragspartner zur Beurteilung der Parteiabsicht heranzuziehen.
Auch ein Vergleich kann novierende Wirkung haben, für die es darauf ankommt, ob aufgrund der festgestellten Umstände davon auszugehen ist, dass bei objektiver Betrachtung nach dem übereinstimmenden Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs aufgrund strittiger Rechtspositionen von der Schaffung eines neuen Rechtsgrundes auszugehen ist.
Fragen der Vertragsauslegung kommt idR keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist.
Dasselbe gilt für die Auslegung eines Vergleichs.
Auch ob eine Novation vorliegt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls.