07.04.2020 Verfahrensrecht

OGH: Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art 25 EuGVVO 2012

Im vorliegenden Fall haben die Parteien sämtliche Frachtverträge telefonisch vereinbart; die Voraussetzung der Schriftlichkeit nach der 1. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 ist daher nicht erfüllt; sofern bei den telefonischen Vereinbarungen ein Gerichtsstand überhaupt thematisiert worden sein sollte, was den erstgerichtlichen Feststellungen allerdings nicht zu entnehmen ist, könnte der später übermittelte Ladeauftrag eine schriftliche Bestätigung iSd 2. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 sein; zu den Anforderungen des Art 25 Abs 1 lit b EuGVVO 2012 kann im Lichte bestehender Rsp davon ausgegangen werden, dass das wiederholte – jeweils nach Vertragsabschluss erfolgte – Versenden von Lieferscheinen und Rechnungen (hier: „Ladungsvereinbarungen“), die ua auch eine Gerichtsstandsklausel aufweisen und im Rahmen einer länger andauernden Geschäftsbeziehung unbeanstandet gelassen wurden, noch keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründen, wenn – wie hier insbesondere aufgrund der abweichenden Verhandlungssprache – keine klar und deutlich zum Ausdruck kommende Willenseinigung zwischen den Parteien vorliegt; die Klägerin hat zwar im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass es in der Transportbranche dem Handelsbrauch entspreche, dass auftraggebende Hauptfrachtführer – wie hier die Klägerin – stets einen Gerichtsstand am Sitz des Unternehmens vereinbaren bzw in den Ladeaufträgen vorgeben; daraus folgt aber noch nicht zugleich iSd Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012, dass die Beklagte einen solchen angeblichen Handelsbrauch, genauer die Übersendung nicht in der Verhandlungssprache verfasster „Ladevereinbarungen“ ohne deutlichen Hinweis auf eine darin vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung, kannte oder kennen musste und dass die Beteiligten im betreffenden Geschäftszweig eine solche Vorgangsweise allgemein kennen und regelmäßig beachten


Schlagworte: Europäisches Verfahrensrecht, Gerichtsstand, Vereinbarung, Frachtvertrag, telefonische Vereinbarungen, Ladeauftrag, wiederholte Versenden von Lieferscheinen und Rechnungen, Handelsbrauch, Behauptungs- und Beweislast
Gesetze:

 

Art 25 EuGVVO 2012

 

GZ 7 Ob 150/19p, 22.01.2020

 

OGH: Nach Art 25 Abs 1 EuGVVO 2012 muss eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen werden a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.

 

Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln sind eng auszulegen. Die für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung unerlässliche Willenseinigung zwischen den Parteien ist von der Partei zu beweisen, die sich auf die zuständigkeitsbegründende Klausel beruft. Ob dieser Nachweis gelungen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Im vorliegenden Fall haben die Parteien sämtliche Frachtverträge telefonisch vereinbart. Die Voraussetzung der Schriftlichkeit nach der 1. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 ist daher nicht erfüllt.

 

Sofern bei den telefonischen Vereinbarungen ein Gerichtsstand überhaupt thematisiert worden sein sollte, was den erstgerichtlichen Feststellungen allerdings nicht zu entnehmen ist, könnte der später übermittelte Ladeauftrag eine schriftliche Bestätigung iSd 2. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 sein. Der darin enthaltene pauschale Hinweis auf die (in deutscher Sprache verfasste) „Ladungsvereinbarungen“ weist aber weder konkret auf eine darin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung hin noch ist diese Landungsvereinbarung in der ausschließlich englischen Verhandlungssprache verfasst. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen – übereinstimmenden – Parteiwillen erkannten, die Klägerin durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zu begünstigen, so hält sich diese Beurteilung des Einzelfalls im Rahmen der Rsp.

 

Zu den Anforderungen des Art 25 Abs 1 lit b EuGVVO 2012 kann im Lichte bestehender Rsp davon ausgegangen werden, dass das wiederholte – jeweils nach Vertragsabschluss erfolgte – Versenden von Lieferscheinen und Rechnungen (hier: „Ladungsvereinbarungen“), die ua auch eine Gerichtsstandsklausel aufweisen und im Rahmen einer länger andauernden Geschäftsbeziehung unbeanstandet gelassen wurden, noch keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründen, wenn – wie hier insbesondere aufgrund der abweichenden Verhandlungssprache – keine klar und deutlich zum Ausdruck kommende Willenseinigung zwischen den Parteien vorliegt. Mit dieser Rsp stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang.

 

Die in Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012 geregelte Formalternative verzichtet nicht auf eine Willenseinigung der Vertragsparteien, vermutet aber eine solche, wenn in dem betreffenden Geschäftszweig ein Handelsbrauch über die Form der Gerichtsstandsvereinbarung besteht, den die Parteien kannten oder kennen müssen. Das Bestehen und die Branchenüblichkeit des Handelsbrauchs sind Tatfragen. Die (Behauptungs- und) Beweislast für ihr Vorliegen trifft die Klägerin, die sich darauf beruft. Die Klägerin hat zwar im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass es in der Transportbranche dem Handelsbrauch entspreche, dass auftraggebende Hauptfrachtführer – wie hier die Klägerin – stets einen Gerichtsstand am Sitz des Unternehmens vereinbaren bzw in den Ladeaufträgen vorgeben. Daraus folgt aber noch nicht zugleich iSd Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012, dass die Beklagte einen solchen angeblichen Handelsbrauch, genauer die Übersendung nicht in der Verhandlungssprache verfasster „Ladevereinbarungen“ ohne deutlichen Hinweis auf eine darin vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung, kannte oder kennen musste und dass die Beteiligten im betreffenden Geschäftszweig eine solche Vorgangsweise allgemein kennen und regelmäßig beachten.