OGH: Fremdhändiges Testament – Übergabe der losen Blätter an den Testamentserrichter und Testamentsverwahrer
Der Notar nahm im Anschluss an die Leistung der Unterschriften die losen Blätter mit und brachte sie ins Notariat, wo sie gebunden und verwahrt wurden; von einer Verbindung der losen Blätter während des Testiervorgangs kann daher selbst dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Blätter unmittelbar nach Übergabe an das Sekretariat des Notars gebunden worden wären; auch die Übergabe der losen Blätter an den Notar zur Verbindung oder Verwahrung stellte die äußere Urkundeneinheit nicht her; die Seitennummerierung in der Kopfzeile des zweiten Blattes oder der darauf befindliche Name samt Adresse des Notars vermögen die innere Urkundeneinheit schon deshalb nicht zu begründen, weil sich daraus kein inhaltlicher Bezug zum Text der letztwilligen Verfügung auf dem ersten Blatt ergibt
§ 579 ABGB, § 601 ABGB
GZ 2 Ob 218/19a, 30.01.2020
OGH: Aufgrund des Errichtungszeitpunkts der zu beurteilenden letztwilligen Verfügung (12. 5. 2017) ist die Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 5 ABGB).
Danach muss gem § 579 Abs 1 ABGB eine fremdhändige letztwillige Verfügung vom Verfügenden in Gegenwart dreier gleichzeitig anwesender Zeugen eigenhändig unterschrieben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz versehen werden, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Nach Abs 2 dieser Bestimmung haben die Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, die aber den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht kennen müssen, auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz zu unterschreiben.
Mit der Novellierung des § 579 ABGB wurden die Anforderungen an die Form eines fremdhändigen Testaments verschärft. Die Änderungen betreffen die Verschriftlichung der Willensbekräftigung des Erblassers (nuncupatio) sowie erhöhte Anforderungen an die Zeugenbeteiligung (gleichzeitige Anwesenheit; eigenhändiger Zeugenzusatz; aus der Urkunde erschließbare Identität der Zeugen), womit der Gesetzgeber, wie die Materialien zum ErbRÄG 2015 mehrfach betonen, die Fälschungssicherheit erhöhen wollte. Für die im vorliegenden Fall zu lösende Rechtsfrage sind die neuen Formvorschriften aber nicht von entscheidender Bedeutung. Denn für die Beurteilung der Frage, wo der letztwillig Verfügende und die Zeugen ihre Unterschriften leisten müssen, hat sich die Rechtslage nicht geändert.
Einen mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt hatte der erkennende Senat in der zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 ergangenen Entscheidung 2 Ob 192/17z zu beurteilen, die in der Lit vielfach kommentiert worden ist. Im damaligen Anlassfall hatten die Testamentszeugen eine aus zwei losen Blättern bestehende fremdhändige letztwillige Verfügung auf dem zweiten Blatt unterschrieben, auf dem sich weder der Text der Verfügung noch die Unterschrift des Erblassers befand. Der Senat führte dazu aus, für die Formgültigkeit einer solchen letztwilligen Verfügung sei jedenfalls zu fordern, dass ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den mehreren losen Blättern zum Ausdruck komme, wie er in der Rsp des OGH bei Verwendung mehrerer loser Blätter für die Gültigkeit eines eigenhändigen Testaments als notwendig erachtet wird. Da diese Voraussetzung im konkreten Fall nicht vorlag, wurde das Testament als formungültig beurteilt.
Keine äußere Urkundeneinheit:
In den Entscheidungen 2 Ob 145/19s und 2 Ob 143/19x hat sich der Senat jüngst neuerlich ausführlich mit den Gültigkeitserfordernissen von aus mehreren losen Blättern bestehenden fremdhändigen letztwilligen Verfügungen befasst und an obigen Erwägungen auch zur Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 festgehalten. Er hat darin klargestellt, dass es eines inneren Zusammenhangs nicht bedarf, wenn zwischen den einzelnen Blättern ohnehin bereits die äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde. In diesem Fall ist die letztwillige Verfügung auch dann formgültig, wenn sich die Unterschriften des Erblassers und/oder von allen oder auch nur einzelnen Zeugen (mit den gesetzlich gebotenen Zusätzen) auf dem letzten, sonst keinen Text aufweisenden Blatt der Verfügung befinden. Ein äußerer Zusammenhang ist aber nur dann zu bejahen, wenn entweder vor der Leistung der Unterschriften von Erblasser und Zeugen oder während des Testiervorgangs (dh uno actu mit diesem) die äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde, indem die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile. Den an die äußere Urkundeneinheit zu stellenden Anforderungen entspricht aber weder das Zusammenfügen mehrerer Blätter mittels einer Büroklammer noch die Übergabe der losen Blätter an den Testamentserrichter zur Verwahrung.
Im vorliegenden Fall nahm der Notar im Anschluss an die Leistung der Unterschriften die losen Blätter mit und brachte sie von Hohenems nach Feldkirch, wo sie in dessen Notariat gebunden und verwahrt wurden. Von einer Verbindung der losen Blätter während des Testiervorgangs kann daher selbst dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Blätter unmittelbar nach Übergabe an das Sekretariat des Notars gebunden worden wären. Auch die Übergabe der losen Blätter an den Notar zur Verbindung oder Verwahrung stellte die äußere Urkundeneinheit nicht her. Sie ist im vorliegenden Fall daher nicht gegeben.
Keine innere Urkundeneinheit:
In den genannten Entscheidungen 2 Ob 145/19s und 2 Ob 143/19x hat der Senat auch erneut ausgesprochen, dass für die Herstellung eines inhaltlichen Zusammenhangs zwischen den mehreren losen Blättern neben der Fortsetzung des Textes auch ein – vom Testator unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung ausreichend sein kann. Diese Bezugnahme muss inhaltlicher Natur sein, dh es muss erkennbar sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht. Der Zusammenhang muss so deutlich sein, dass er einer tatsächlichen Verbindung der Blätter nahekommt.
Im vorliegenden Fall liegt ein derartiger Vermerk nicht vor. Die Seitennummerierung in der Kopfzeile des zweiten Blattes oder der darauf befindliche Name samt Adresse des Notars vermögen die innere Urkundeneinheit schon deshalb nicht zu begründen, weil sich daraus kein inhaltlicher Bezug zum Text der letztwilligen Verfügung auf dem ersten Blatt ergibt.
Das fremdhändige Testament der Erblasserin erweist sich somit als formungültig (§ 601 ABGB), weil das Blatt mit der Unterschrift des dritten Testamentszeugen weder in einem äußeren noch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Blatt, auf dem sich der Text der letztwilligen Verfügung befindet, steht.