17.03.2020 Zivilrecht

OGH: Nachlassabsonderung – objektive Gefährdung gem § 812 Abs 1 ABGB idF ErbRÄG 2015

Nunmehr ist die objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers maßgebliches Kriterium, die bloß subjektive Besorgnis des Gläubigers reicht nicht mehr aus; das Verfahren zur Bewilligung der Nachlassabsonderung ist als reines Antragsverfahren ausgestaltet und somit dem Dispositionsgrundsatz unterworfen; der Untersuchungsgrundsatz gilt daher nur eingeschränkt und jedenfalls dann nicht, wenn das Antragsvorbringen trotz Verbesserungsauftrags unschlüssig geblieben ist


Schlagworte: Erbrecht, Nachlassabsonderung, objektive Gefährdung, Untersuchungsgrundsatz, Verbesserungsauftrag
Gesetze:

 

§ 812 ABGB, § 2 AußStrG, § 9 AußStrG, § 84 ZPO, § 85 ZPO

 

GZ 2 Ob 174/19f, 17.12.2019

 

OGH: Nach dem Wortlaut des § 812 ABGB vor dem ErbRÄG 2015 („Besorgt ein Erbschaftsgläubiger ...“) war für die Nachlassabsonderung die subjektive Besorgnis des Verlassenschaftsgläubigers ausreichend, seine Befriedigung könnte durch Maßnahmen des Erben geschmälert werden. § 812 Abs 1 ABGB idF des ErbRÄG 2015 lautet: „Wenn die Forderung des Gläubigers … gefährdet wäre, ...“. Demnach ist nunmehr die objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers maßgebliches Kriterium, die bloß subjektive Besorgnis des Gläubigers reicht nicht mehr aus. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und bedarf hier keiner näheren Erläuterung.

 

Ob im jeweils zu beurteilenden Fall konkrete Umstände behauptet wurden, die eine objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers begründen können, richtet sich – wie in den Fällen der „subjektiven Besorgnis“ – nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Nach der zu § 812 ABGB aF ergangenen Rsp rechtfertigt die Vermögenslosigkeit des Erben allein – ohne das Vorhandensein von Verbindlichkeiten des Erben gegenüber Gläubigern – keine Nachlassabsonderung. Weiters ist nach stRsp zu § 812 ABGB aF die (hier vom Antragsteller bloß abstrakt behauptete) Möglichkeit, die Erbin könnte Verfügungen über den Nachlass treffen, in jedem Fall gegeben und kann daher für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen der Erben rechtfertigen.

 

Es ist kein Grund erkennbar, dies nach der Rechtslage des ErbRÄG 2015 anders zu beurteilen.

 

Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Behauptungen des Antragstellers reichten für eine Nachlassabsonderung nicht aus, ist somit nicht korrekturbedürftig, weshalb insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt.

 

Entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers existiert eine einheitliche höchstgerichtliche Rsp zum Erfordernis eines Verbesserungsauftrags und zur Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren über einen Antrag auf Nachlassabsonderung:

 

Dazu ist hinreichend geklärt, dass bei Unschlüssigkeit des Antragsvorbringens vor der Abweisung des Antrags ein Verbesserungsverfahren durchzuführen ist, woraus sich auch das Verbot einer Überraschungsentscheidung ergibt.

 

Weiters entspricht es stRsp, dass das Verfahren zur Bewilligung der Nachlassabsonderung als reines Antragsverfahren ausgestaltet und somit dem Dispositionsgrundsatz unterworfen ist. Der Untersuchungsgrundsatz gilt daher nur eingeschränkt und jedenfalls dann nicht, wenn das Antragsvorbringen trotz Verbesserungsauftrags unschlüssig geblieben ist.