17.03.2020 Zivilrecht

OGH: Zum Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen

Dem VN wird durch das Verlangen des VU auf Einhaltung der Schriftform für die Ausübung seines Rücktrittsrechts nach § 165a Abs 1 VersVG aF nicht die Möglichkeit genommen, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Lebensversicherung, Rücktritt, unrichtige Belehrung, Schriftform, Perpetuierung des Rücktrittsrechts, Rückabwicklung, Beendigung des Vertrags
Gesetze:

 

§ 5c VersVG, § 165a VersVG aF, § 178 VersVG aF, Art 15 RL 90/619, Art 35 RL 2002/83/

 

GZ 7 Ob 3/20x, 10.02.2020

 

OGH: § 165a Abs 1 VersVG aF sah für die Ausübung des Rücktrittsrechts keine besondere Form vor. § 178 Abs 1 VersVG aF bestimmte, dass sich das VU auf eine Vereinbarung, die von dieser Vorschrift zum Nachteil des VN abweicht, nicht berufen kann.

 

Mittlerweile hat der Gesetzgeber in § 5c VersVG im Hinblick auf die notwendige Beweisbarkeit für die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung die geschriebene Form vorgesehen. Die Vereinbarung einer strengeren Form soll nicht möglich sein. Der Gesetzgeber misst damit der Beweisbarkeit der Ausübung des Rücktrittsrechts besondere Bedeutung zu.

 

Im Alltag ist für eine Vielzahl von (rechtsgeschäftlichen) Erklärungen die Schriftform auch bei Privaten (Verbrauchern) eine geradezu typische und faktisch sehr häufig praktizierte Mitteilungsform, die für jedermann einfach und ohne besonderen Aufwand durchzuführen ist, sodass keine für die Effektivität relevanten Hürden entgegenstehen. Der Schriftform für den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag stehen daher keine grundsätzlichen europarechtlichen Bedenken entgegen und gerade die Schriftform beseitigt - im Unterschied zu mündlichen oder fernmündlichen Erklärungen - Zweifel über Zeitpunkt und Inhalt einer Rücktrittserklärung und dient insofern dem Schutz des VN bei der Wahrnehmung des Nachweises eines erhobenen Rücktritts. War daher eine Rechtsbelehrung des VU oder eine in seinen AVB enthaltene Regelung dahin zu verstehen, dass der Rücktritt nach § 165a Abs 1 VersVG aF schriftlich zu erklären sei, dann stellt dies keine relevante Erschwernis für die Ausübung dieses Rücktrittsrechts dar, die dem VN dessen unbefristete Ausübung erlauben würde.