02.03.2020 Strafrecht

OGH: § 76 Abs 4 StPO – Übermittlung von nach der StPO gewonnenen personenbezogenen Daten

Außerhalb der in § 76 Abs 4 Z 1 und Z 2 StPO explizit normierten Fälle ist eine Übermittlung von nach der StPO gewonnenen personenbezogenen Daten zulässig, wenn diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht, sei es – lege non distinguente – in der StPO selbst oder in anderen Gesetzen (exemplarisch hierfür etwa die Gerichte und Verwaltungsbehörden insoweit verpflichtende Bestimmung des § 360 Abs 1 ASVG); soweit in der StPO ausdrücklich normierte Verständigungspflichten (an andere Behörden) bestehen, die, ausgehend vom Wesen des Strafprozesses, (fast) immer personenbezogene Daten zum Inhalt haben, sind diese also als besondere gesetzliche Ermächtigungsnormen zur Datenübermittlung anzusehen, die neben den Fällen des § 76 Abs 4 StPO ihren autonomen Bestand und Anwendungsbereich haben


Schlagworte: Amts- und Rechtshilfe, Übermittlung personenbezogener Daten
Gesetze:

 

§ 76 StPO

 

GZ 11 Os 76/19i, 10.12.2019

 

OGH: Die grundlegenden strafprozessualen Normen zur Verarbeitung personenbezogener Daten bzw zu ihrer Übermittlung im Wege der Amts- und Rechtshilfe finden sich in §§ 74 bis 76 StPO.

 

Nach den Materialien zum Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 gehen die einschlägigen materienspezifischen Regelungen zur Datenverarbeitung (wie eben jene der StPO) den allgemeinen Regelungen des 3. Hauptstücks des DSG vor, dies etwa (und insbesondere) im Hinblick auf die Regelungen der StPO über Akteneinsicht oder Verständigungspflichten. Im Ergebnis gelte daher – so die Materialien – einerseits (und weiterhin) der Grundsatz der bloß subsidiären Geltung des DSG gegenüber der StPO und werde andererseits nunmehr klargestellt, dass der Vorrang der StPO „generalisierend“ wirke und sich somit nicht nur auf jene Konstellationen beziehe, „in denen explizite Bestimmungen in der StPO bestehen, die den auf exakt denselben Regelungsgehalt abzielenden Bestimmungen voranstehen“. Ausdrücklich weisen die Erläuternden Bemerkungen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Informations- und Auskunftspflichten in den in der StPO angeführten Fällen bestehen bleiben.

 

Inhaltlich regelt die durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014 neu gefasste (und durch BGBl I 2018/32 lediglich in Verweisen auf das DSG, nicht aber materiell geänderte) Bestimmung des § 76 Abs 4 StPO die Übermittlung personenbezogener, im Zuge eines Strafverfahrens gewonnener Daten an andere Gerichte und Behörden. Sie setzt generell voraus, dass eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung (zur Datenübermittlung) besteht und diese Daten in einem Strafverfahren zulässigerweise als Beweis Verwendung finden dürfen. Zudem haben der Übermittlung keine überwiegend schutzwürdigen Interessen des betroffenen Grundrechtsträgers entgegenzustehen.

 

§ 76 Abs 4 StPO will, ähnlich wie § 57 Abs 3 SPG, einerseits klarstellen, dass Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte grundsätzlich berechtigt sind, die von ihnen ermittelten und verarbeiteten personenbezogenen Daten zu verwenden und einander darüber Auskunft zu erteilen, andererseits aber durch ausdrückliche gesetzliche Determinierung (Z 1 und Z 2) die Übermittlung personenbezogener Daten – unter den zuvor genannten allgemeinen Voraussetzungen – an die dort genannten Behörden und Gerichte nur zu den dort angeführten Zwecken ermöglichen. Konkret sieht § 76 Abs 4 Z 1 StPO die eingeschränkte Möglichkeit zur Übermittlung von (sensiblen) Daten, die durch eine körperliche oder molekulargenetische Untersuchung oder eine Ermittlungsmaßnahme nach dem 4. bis 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO ermittelt worden sind, an ausdrücklich angeführte Gerichte und Behörden zu ausdrücklich bestimmten Zwecken vor. Auf andere als in den genannten Weisen nach der StPO ermittelte personenbezogene Daten ist § 76 Abs 4 Z 2 StPO anwendbar, der eine (mit Blick auf den Zweck) weitergehende Übermittlung an die dort genannten (und über die in Z 1 aufgezählten hinausgehenden) Gerichte und Behörden zulässt.

 

Außerhalb dieser in § 76 Abs 4 Z 1 und Z 2 StPO explizit normierten Fälle ist eine Übermittlung von nach der StPO gewonnenen personenbezogenen Daten zulässig, wenn diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht, sei es – lege non distinguente – in der StPO selbst oder in anderen Gesetzen (exemplarisch hierfür etwa die Gerichte und Verwaltungsbehörden insoweit verpflichtende Bestimmung des § 360 Abs 1 ASVG).

 

Soweit in der StPO ausdrücklich normierte Verständigungspflichten (an andere Behörden) bestehen, die, ausgehend vom Wesen des Strafprozesses, (fast) immer personenbezogene Daten zum Inhalt haben, sind diese also als besondere gesetzliche Ermächtigungsnormen zur Datenübermittlung anzusehen, die neben den Fällen des § 76 Abs 4 StPO ihren autonomen Bestand und Anwendungsbereich haben.