OGH: Zum Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers iZm Pflegegeld
Besteht kein Anspruch auf österreichisches Pflegegeld oder nur ein originärer Sachleistungsanspruch gegenüber der deutschen AOK ohne Erstattungspflicht der PVA, so kommt das Quotenvorrecht nicht in Betracht
§ 13 BPGG, § 16 BPGG, Art 24 VO 883/2004/EG, Art 84 VO 883/2004/EG
GZ 2 Ob 230/18i, 30.01.2020
OGH: Liegt die Ursache für die Pflegebedürftigkeit in einem von einem Dritten schuldhaft herbeigeführten Ereignis, geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten gem § 16 Abs 1 BPGG insoweit auf den Bund oder den Träger der Sozialversicherung über, als dieser Pflegegeld zu leisten hat. Der Forderungsübergang vollzieht sich schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses in jenem Umfang, in dem der Bund oder der Träger der Sozialversicherung sachlich und zeitlich kongruente Leistungen zu erbringen hat. Pflegegeld ist sachlich kongruent zum Anspruch auf Ersatz der Pflegekosten; davon werden auch die Kosten für die stationäre Pflege in einem Pflegeheim erfasst.
In Österreich kommt dem Sozialversicherungsträger, auf den infolge Legalzession Schadenersatzansprüche des Geschädigten übergehen, das Quotenvorrecht zu: Dieses besteht konkret darin, dass der Ersatzpflichtige gegenüber dem Legalzessionar das Mitverschulden des Geschädigten geltend machen kann. Der Regress beschränkt sich daher auf denjenigen Schadensteil, der dem Geschädigten vom Schädiger ohne Legalzession zu vergüten wäre. Dabei kann der Versicherungsträger vom Schädiger vollen Ersatz für seine zu gewährenden Leistungen verlangen, soweit diese in dem durch den Mitverschuldensanteil verkürzten Schadenersatzanspruch Deckung finden. Dem Geschädigten verbleibt nur ein allfälliger durch die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers nicht gedeckter Rest seines (um die Mitverschuldensquote gekürzten) Ersatzanspruchs. Bei der Ermittlung des Betrags, auf den der Geschädigte dem Schädiger gegenüber Anspruch hat, ist demnach der Schaden zunächst ohne Bedachtnahme auf die Leistungen des Legalzessionars zu ermitteln und um die Mitverschuldensquote zu kürzen. Von dem so errechneten Betrag sind die auf den Legalzessionar übergegangenen Ansprüche in voller Höhe abzuziehen. Diese Grundsätze gelten auch bei der Legalzession nach § 16 Abs 1 BPGG. Demgegenüber enthält das 10. Buch des deutschen SGB zwar auch eine Regelung über die Legalzession (§ 116 Abs 1 SGB X), jedoch ist ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers ausgeschlossen.
In jenem Umfang, in dem der österreichische Entscheidungsträger (§ 22 BPGG) zur Leistung von Pflegegeld verpflichtet ist, geht der Anspruch im Wege der Legalzession nach § 16 Abs 1 BPGG über; in diesem Umfang besteht auch das Quotenvorrecht. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Pflegegeld an die Klägerin nicht ausgezahlt wird, sondern im Wege der Art 34 f VO 883/2004/EG der Erstattung der von der AOK erbrachten Leistungen dient. Leistet der österreichische Träger dem deutschen Träger einen Betrag, der höher ist als der Pflegegeldanspruch der Klägerin, so ist dieser Mehrbetrag nicht von § 16 BPGG erfasst. Besteht aber kein Anspruch auf österreichisches Pflegegeld oder nur ein originärer Sachleistungsanspruch der Klägerin gegenüber der AOK ohne Erstattungspflicht der PVA, kommt das Quotenvorrecht nicht in Betracht.